Wasser (UA)
Von Anna Gschnitzer
Anlässlich der Taufe ihrer neugeborenen Tochter versammelt Jana ihre Familie um einen festlich gedeckten Tisch, an einem Ort am Wasser. Ihre Schwester Kris ist dabei nicht nur eine enge Vertraute, sondern auch streitlustiges Gegenüber, was Temperament und Weltanschauung angeht. Sie sind beide, ebenso wie die meisten anderen Familienmitglieder, Traumatisierte und Überlebende häuslicher Gewalt. Doch die Schwestern gehen ganz unterschiedlich mit ihrer gemeinsamen Gewaltgeschichte um. Angesichts vergangener Verletzungen und aktueller Konflikte ist es wenig überraschend, dass der Familienfrieden kaum bis zur Vorspeise reicht.
Neben Momenten, in denen Erinnerung und Gegenwart wie ein Donnerschlag aufeinandertreffen, führt uns der Abend mit poetischem Feinsinn in die Innenwelt einer jeden Figur, und lässt uns in ihre Wut, ihre Ängste und Hoffnungen eintauchen, vor allem aber öffnet er den Raum für die Widersprüche, die in ihnen wohnen. Anna Gschnitzer fragt in »Wasser« danach, welche Strukturen Gewalt ermöglichen und an welchen Stellen wir selbst Teil dieser Struktur werden, ohne uns dessen bewusst zu sein. Wie können wir eine gemeinsame Sprache finden, wenn sich transgenerationale Traumata immer weiter fortschreiben und Opfer-Täter-Beziehungen scheinbar unübersichtlich, aber dennoch tief in familiären Strukturen verankert sind? In welches Wasser müssen wir steigen für einen Neuanfang?
Einen Begleittext der Autorin zu »Wasser« finden Sie hier.
Inhaltshinweis:
»Wasser« verhandelt sexualisierte und häusliche Gewalt und deren Folgen. Diese Darstellungen können bei betroffenen Personen retraumatisierend wirken.
Frauen*, die von Gewalt betroffen sind, sowie ihre Angehörigen finden Informationen zu ihren Rechten und Hilfsmöglichkeiten beim Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« online und telefonisch: 08000 116 016
Von Gewalt betroffene Jungen* und Männer* können sich an die Bundesfach- und Koordinierungsstelle für Männergewaltschutz wenden sowie an das Hilfetelefon Gewalt an Männer: 0800 1239900
Männer*, die Gewalt gegen ihre Partner*innen oder Familie ausgeübt haben und Konflikte in der Partnerschaft zukünftig gewaltfrei lösen wollen, finden bei der BAG Täterarbeit eine Liste von Anlaufstellen. Eine regionale Anlaufstelle in Ingolstadt ist bspw. die Fachstelle Täterarbeit.
mit: Judith Nebel (Kris), Sarah Horak (Jana), Victoria Voss (Maria), Ralf Lichtenberg (Georg), Jan Gebauer (Wolfgang), Matthias Zajgier (Manuel), Ingrid Cannonier (Isabel)
- Regie
- Alexander Nerlich
- Bühne
- Thea Hoffmann-Axthelm
- Kostüme
- Žana Bošnjak
- Musik, Sounddesign
- Malte Preuss
- Choreografie
- Zoé Gyssler
- Dramaturgie
- Daniel Theuring
- Regieassistenz
- Negar Boghrati
- Ausstattungsassistenz
- Allison Woodburn
- Inspizienz
- Annette Reisser
- Soufflage
- Ulrike Deschler
- Theatervermittlung
- Lena Hilberger
»›Wasser‹ [...] ist ein Beispiel für eine wirklich gelungene Uraufführung, auch weil der Regisseur und sein Ausstattungsteam sich mit kongenialem Gespür und viel Fantasie auf den Text einlassen und da nichts drüberstülpen, was sich nicht aus seiner Tiefe fischen ließe.«
»Anna Gschnitzers Text ist voll rascher Dynamik, legt zupackend die Zusammenhänge offen, ist sehr präzise und nie überzogen oder überzeichnend. Mit wenigen Strichen stellt die Autorin heraus, wie in einem zerstörerischen System ausnahmslos alle unter diesen Zerstörungen leiden. Nie senkt die Autorin den Daumen, jede einzelne Figur erfährt Gerechtigkeit, weil es vorrangig um ihre jeweiligen Prägungen geht. Die Schauspielerinnen und Schauspieler versehen ihre Rollen mit einer Aura des Verwundetseins: mal wieder eine – in Ingolstadt traditionelle – großartige Ensembleleistung.«
»Es ist eine Inszenierung, die trifft in ihrer Vehemenz: mit starken Bildern, einem mitreißenden Schauspielerensemble und einem klugen Text, der so präzise wie poetisch existenzielle Fragen stellt – an uns alle. Dafür gibt es am Ende langen Applaus.«
»Diese gesamte Geschichte [ist] nie theorieüberlastet, stellt nie Thesen aus, sondern ist ein sehenswertes Familienspiel, sehr bunt, sehr dynamisch und mit einer erstaunlichen Vielfalt von szenischen Lösungen auf der kleinen Bühne im kleinen Haus des Stadttheaters. Das Ensemble ist wie eigentlich immer in Ingolstadt großartig. Und wie eigentlich immer ist das Stadttheater Ingolstadt ein Haus für die vielfältigen Entdeckungen, die man im zeitgenössischen Theater machen kann: ein deutlicher Markenkern für die Theaterkunst in der Region.«
»Lang anhaltender Applaus und Bravo-Rufe für ein Theaterstück, das alles hat, um sich in den Spielplänen zu etablieren.«
»Autorin Anna Gschnitzer, Regisseur Alexander Nerlich und das Ensemble verstehen es gleichermaßen virtuos, das komplexe Innenleben von Figuren sichtbar zu machen, die Gewalterfahrungen in der Familie erlebt haben, aber nicht miteinander darüber sprechen können.«