Warten auf Platonow
Bayerisches Staatsschauspiel München
von Thom Luz nach Motiven von Anton Tschechow
Im Anschluss an die Vorstellung findet im Foyer ein Publikumsgespräch mit dem Produktionsteam statt, moderiert von Niels Beintker (Bayern 2). Dieses Angebot können Sie im Rahmen Ihres Besuchs gerne kostenfrei nutzen!
»In Ihrer Brust klimpert ein kleines Klavier. Hören Sie es nicht?«
Tschechows Humor, schrieb Vladimir Nabokov, sei unvergleichlich und könne deshalb nur als spezifisch tschechowsch beschrieben werden:
»Für ihn waren die Dinge lustig und traurig zugleich, aber das Traurige sah man nur, wenn man auch das Lustige sah, weil beide miteinander verbunden waren.«
Seine Texte seien durchdrungen von seiner Herzensgüte und einem »leicht irisierenden Wortnebel«, alle seine Wörter schwebten im gleichen Dämmerlicht, »einer Farbe zwischen der eines alten Zauns und der einer niedrig hängenden Wolke«.
Tschechows Texte, zuallererst sein Fragment gebliebenes Jugendwerk »Platonow«, sind Ausgangspunkt für einen neuen musikalischen Theaterabend von Thom Luz. Er versammelt eine Gesellschaft, die in den Liedern einer längst vergangenen Zeit die Melodie der Freuden und Schrecken der Zukunft zu erlauschen sucht. Die offene Frage, ob die Menschen darin eigentlich überhaupt einen eigenen Handlungsspielraum besitzen oder nur einzelne Töne in einer Sinfonie der großen Komponistin Natur sind, hält sie nicht vom Versuch ab, ihre individuellen Harmonien und Dissonanzen zu erproben.
»Man kann die Funktionsweise von Tschechows Texten auch mit der Gebrauchsanweisung für die selbstspielenden Klaviere der Firma Hupfeld aus dem Jahr 1926 vergleichen: Ziehen Sie dieses lange Stück Papier durch jenen Holzkasten und hören Sie die Gespenster singen – Lieder von der Welt von gestern. Dort, wo im Papier ein Loch ist, erklingt später ein Ton. Ab sofort müssen Sie nicht mehr selbst Klavier spielen, wenn Sie von Ihren gescheiterten Liebesgeschichten träumen wollen. Diese Technologie wird bald so überholt sein wie Sie selbst. Kaufen Sie heute auf Kredit! Garantie: Das Klavier wird bis zur Pfändung weiterspielen. Wenn es langweilig wird: Fangen Sie noch einmal von vorne an. In der unveränderten Wiederholung all Ihrer Fehler liegt der Schlüssel zum Glück.« Thom Luz
Linker kleiner Finger: Nicola Mastroberardino
Linker Ringfinger: Florian Jahr
Linker Mittelfinger: Vincent Glander
Linker Zeigefinger: Linda Blümchen
Linker Daumen: Nicola Kirsch
Rechter Daumen: Delschad Numan Khorschid
Rechter Zeigefinger: Christoph Franken
Rechter Mittelfinger: Cathrin Störmer
Rechter Ringfinger: Evelyne Gugolz
Rechter kleiner Finger: Barbara Melzl
Inszenierung, Bühne und Sounddesign: Thom Luz
Musikalische Leitung: Mathias Weibel
Kostüme und Licht: Tina Bleuler
Licht: Verena Mayr
Choreografie: Javier Rodríguez Cobos
Dramaturgie: Katrin Michaels
Ingrid Trobitz: »Eine betörende, poetische Collage nach Motiven von Beckett und Tschechow, aus Worten, Gesten, Bildern und Musik; ein hinreißend versponnener Abend voll zart flirrender Komik und entrückter Wehmut des Schweizer Musiktheatermachers Thom Luz, ganz in der Tradition von Christoph Marthaler und Ruedi Häusermann.«
»Thom Luz hat für diese Inszenierung einige Tschechow-Dramen erst einmal in ihre Einzelteile zerlegt und zu einer Art Sätze-Konzert neu arrangiert, Worte werden wiederholt, Szenen unlogisch aneinander geschraubt. Heraus kommt dabei allerschönster poetischer Nonsens…«
»… dennoch entfaltet diese verspielt-entschleunigte Inszenierung einen ganz eigenen Witz und leise Melancholie (…) Dazu trägt vor allem das fein aufeinander abgestimmte Ensemble bei. Die zehn Schauspielerinnen und Schauspieler zelebrieren mit großer Freude das aneinander Vorbeireden ihrer Figuren, deren Dampfplaudern und Immer-wieder-Sagen sowie das permanente Auf-der-Stelle-Treten im eigentlich fortschreitenden Gespräch.«