Mit seiner Neuschreibung „Die Ärztin“ hat Robert Icke - in Anlehnung an Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ - einen Moral-Thriller von heute entworfen. Am Tod einer minderjährigen Patientin entzündet sich ein handfester gesellschaftlicher, politischer und rassistischer Skandal um die Medizinerin Ruth Wolff. Weil sie einem schwarzen Priester den Zugang zu dem sterbenden Mädchen verwehrt, entwickelt sich ein regelrechtes Politikum über ethnische und religiöse Identitäten.
Bei der gestrigen Bauprobe gab Regisseur Nurkan Erpulat erste Einblicke in das Stück, das diese Ambivalenzen wunderbar erzählt und wichtige Fragen zur Identitätspolitik aufwirft.
Dabei wird die Bühne in der Ausstattung von Gitti Scherer mit ihrer zentralen Drehscheibe im wahrsten Sinne des Wortes zum Rahmen, in dem sich die Ereignisse attackieren: Sitcom-Charakter, der aus schnellen Szenen- oder Ortswechseln besteht. So werden die Dualität zwischen Arbeit und Zuhause, zwischen nüchtern-kühlem Klinik-Ambiente, abgedunkelter Privatsphäre und Talkshow-Studio raffiniert sichtbar gemacht - verstärkt durch Videoprojektionen als Bedrohungs-Zeitraffer des Social-Media-Zeitalters.
Ab 8. Februar ist dieses kluge, haarscharfe Wortgefecht im Großen Haus zu sehen!