Manderlay
Schauspiel von Lars von Trier nach dem gleichnamigen Film
Wir schreiben das Jahr 1933. Nachdem Lars von Trier seine Protagonistin Grace im ersten Teil seiner Amerika-Trilogie ›Dogville‹, (die Inszenierung von Dominik von Gunten hatte 2007 Premiere in Ingolstadt) im kleinen aber gemeinen Dörfchen am Rande der Rocky Mountains leiden, dann aber grausame Rache nehmen ließ, führt der Autor sie diesmal südwärts auf die Baumwollplantage Manderlay. Voller Erschrecken stellt Grace fest, dass die Sklaverei, obwohl seit 70 Jahren offiziell abgeschafft, dort noch existiert. Daraufhin borgt sie sich von ihrem Daddy, einem einflussreichen Gangster, eine Handvoll seiner bewaffneten Männer, um fortan auf Manderlay demokratische Verhältnisse durchzusetzen. Doch die Rechtlosen wollen sich gar nicht demokratisch organisieren. Das völlige Chaos droht. Können die so lange Unterdrückten gar nicht in ihrem eigenen Interesse handeln, weil sie es nie gelernt haben? Muss ihnen, zu ihrem eigenen Besten, das Glück verordnet werden – zur Not mit Gewalt durchgesetzt? Als Grace fragt, wann denn mit dem Pflanzen der Baumwolle begonnen werden soll, bekommt sie ein wahres Meisterstück einer Nullantwort zu hören. Die Hütten der Schwarzen müssen dringend repariert werden; also wird das dazu benötigte Holz im Garten der verstorbenen Gutsherrin geschlagen – da die Bäume aber als Windschutz gedient hatten, kann nun der Sandsturm die Ernte vernichten usw. Szenen, in denen die Unwissenheit der Schwarzen mit der Naivität Graces zusammenfällt, die Demokratie probt, indem sie darüber abstimmen lässt, ob die Uhr nun »acht vor oder fünf vor« zeigen soll, worauf das Resultat der Abstimmung ergibt, »dass es auf Manderlay fünf vor zwei war« ... Mehr und mehr werden Graces gute Absichten korrumpiert, sie greift ihrerseits auf unterdrückerische Maßnahmen zurück und findet sich nebenbei mit ihrem eigenen Rassismus konfrontiert. Dazwischen liegen jedoch die »Hungersnot« und der Tod eines kleinen Mädchens; die alte Wilma, die heimlich sein Essen an sich genommen hat, muss auf Beschluss der andern sterben. Grace nimmt es auf sich, das Todesurteil auszuführen. Schließlich ist Grace am Ende ihres Lateins. Am Ende hat der stolze Timothy, der Graces sexuelle Phantasien belebt, das Geld für die Ernte gestohlen und die Gemeinschaft verraten. Festgebunden steht er wieder am Gitter und wartet auf die Peitsche. »Ihr habt uns gemacht«, sagt er Grace ins Gesicht. Die schlägt zu. Doch nun wendet sich das System doppelt gegen sie. Wie Wilhelm als Sprecher der Schwarzen sagt, haben sie beschlossen, das alte Gesetz wieder einzuführen. Und bei der demokratischen Abstimmung, mit der die Gefangenen ihren Aufseher wählen, fällt die Wahl einstimmig auf Grace … Der Mikrokosmos ›Manderlay‹ wird zum provozierenden Sinnbild für das Dilemma heutiger Politik: Dulden wir Diktaturen, da sie wenigstens für Stabilität sorgen? Bekämpfen wir sie, notfalls mit militärischer Gewalt und der Gefahr, anhaltende Bürgerkriege zu riskieren? Dass derart repressives Demokratie-Training langfristig wenig erfolgreich ist, zeigt Trier auf drastische Weise. Warum scheitert eine Demokratie? Können die Menschen ihre Interessen nicht vertreten, da man sie zu lange unterdrückt hat? Muss man das vermeintlich Beste notfalls mit Waffengewalt erzwingen? Heiligt der Zweck wirklich alle Mittel? Das Stück stellt diese Fragen in Form einer einprägsamen und sehr ironischen Parabel.mit: Peter Reisser (Erzähler, Doctor Hector), Louise Nowitzki (Grace), Norbert Aberle (Graces Vater, Mark), Rolf Germeroth (Joseph, Anwalt), Ole Micha Spörkel (Edvard, Gangster | Jim, Venus' erwachsener Sohn), Ulrich Kielhorn (Stanley Mays, Aufseher ), Gesine Lübcke (Mam | Alte Wilma), Martin Müller (Bertie, ihr Sohn), Richard Putzinger (Timothy), Toni Schatz (Jack), Rudolf Waldemar Brem (Wilhelm), Adelheid Bräu (Rose, seine Frau), Renate Knollmann (Elizabeth), Nik Neureiter (Sammy)
- Regie:
- Andreas Nathusius
- Ausstattung:
- Günter Hellweg
- Video:
- Thomas Wolter
- Musikalische Leitung:
- Andreas Dziuk
- Dramaturgie:
- Matthias Grätz
- Mr. Kirspe, Ganster:
- Peter Greif
Premiere am
Großes Haus