Peer Gynt
Dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen
Der junge Bauernsohn Peer Gynt versucht mit Lügengeschichten der Realität zu entfliehen. Auf diese Weise verdrängt er, dass sein Vater, der einst sehr angesehene Jon Gynt, Hof und Habe durch Misswirtschaft und zahlreiche Alkoholeskapaden verloren hat. In Peers Phantasiewelt ist die heruntergekommene Behausung jedoch nach wie vor ein strahlender Palast. Auch seinen eigenen Nichtsnutz verklärt er zu heldenhaften Episoden. So schildert er seiner Mutter Aase einen halsbrecherischen Ritt auf einem Rentier über den Besseggen-Grat ober-halb des Gjendesee im norwegischen Gebirge Jotunheimen. Von seiner Mutter wird Peer überbehütet und glorifiziert, doch soll er immer ihre Version des Lebens teilen. Auf der Suche nach Liebe und Abenteuer findet er sich bald in einer Welt von Trollen und Dämonen wieder. Er entführt Ingrid, die Braut eines anderen. Gleichzeitig verliebt er sich in die aus pietistischem Elternhaus stammende Solveig, die ihn anfangs nicht erhört, sich ihm später jedoch anschließt. Nach einem Zeitsprung von etwa 30 Jahren findet sich der inzwischen unter anderem durch Sklavenhandel reich gewordene Peer im vierten Akt in Marokko wieder. Dort wird ihm von Geschäftspartnern sein Schiff mit allen Reichtümern gestohlen. Nach einem Gebet versinkt das Schiff; Peer findet sich mit seiner Armut ab und wendet sich Gott zu. Durch einen Angriff von Affen wird er in die Wüste getrieben, wo er sich in eine Oase rettet. Von den dort lebenden Jungfrauen erwählt er Anitra, die ihm allerdings die letzten Habseligkeiten stiehlt. Den Tiefpunkt seines Lebens erlebt Peer im Irrenhaus zu Kairo, dem der deutsche Arzt Doktor Begriffenfeldt vorsteht. Endlich kehrt der alte Peer nach Hause zurück, aber die Ankunft wird zum Schiffbruch. Die Heimat ist die Fremde. Ihn umgeben Trolle und Dämonen, die Rechenschaft fordern. Der Knopfgießer legt Peer Gynts Leben auf die Waagschale, untersucht es auf seinen Materialwert und diagnostiziert Ausschuss. Wer war Peer Gynt? In Zwiesprache mit einem fallenden Stern, einen Wimpernschlag vor dem Tod, lässt Peer sein Leben Revue passieren. Da erscheint Solveig am letzten Kreuzweg … PEER GYNT, ein praller, tragischer und komödiantischer Theaterstoff um einen die Welt durchrasenden Menschen, der unbefriedigt und glücklos bleiben muss. Die abenteuerlichen Lebensstationen wandeln immer wieder ein Grundthema ab: während er meint, er selbst zu sein, läuft er vor sich selbst davon; während er meint, sich selbst, das „Gyntsche Ich“ zu verwirklichen, ist er doch immer sich selbst genug, ein „Troll“, der sich selbst belügt und ohne Beziehung zu den Forderungen der Realität die Wege des „großen Krummen“ außen herum geht. Henrik Ibsen schuf mit seinem „dramatischen Gedicht“ ein Abbild des europäischen Menschen, das nicht nur die Züge des 19. Jahrhunderts trägt, sondern auch dem Menschen von heute erschreckend ähnlich ist. Mit PEER GYNT ist Ibsen eine überzeugende Darstellung eines egozentrischen Menschen gelungen: ein Bündel von Begierden, das nur von sich erfüllt ist. Am Ende seines Lebens erkennt Peer, dass er aufgrund der Besitzstruktur seiner Existenz nie er selbst gewesen ist, dass er wie eine Zwiebel ohne Kern ist, ein Unfertiger, der nie er selbst war. Ibsens "dramatisches Gedicht" ist ein heiß-kaltes Stück, eine großartige und zugleich krude Mischung aus Kolportage, nihilistischer Lebensbetrachtung, Abenteuerroman und Gesellschaftssatire. Mal erscheint Peer als letzter Epigone einer romantischen Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, oft verglichen mit zwei anderen großen Ich-Entgrenzern: Faust und Don Quixote. Jeder Moment des Lebens wird Fiktion und die systematische Praxis des Lü-gens streckt dem Nichts die Zunge heraus. Dann wieder dominiert der kühle Blick des Materialisten Ibsen auf seine Zeit, in der alle großen Entwürfe nur halbherzig ausgeführt, nur mehr Zitate sind, von Möglichkeiten ohne Wirklichkeitshaftung.mit: Daniel Kersten (Peer Gynt I, Troll 2, Verweigerer, 3. Geschäftsmann, König, Volk, Knäule, Steuermann), Enrico Spohn (Peer I, Troll 2, 3. Geschäftsmann, König, Volk), Sabine Wackernagel (Aase), Adelheid Bräu (Frau 1, Haegstadbäuerin, Troll, Grüne II., Mädchenchor, Volk, Geknickte Halme), Kaja Schmidt-Tychsen (Frau 2, 1. Mädchen, Ingrid, Anitra, Volk, Tautropfen), Rolf Germeroth (Mann 2, Sennerin, Troll, Peer Gynt V), Ralf Lichtenberg (Mann 3, Sennerin, Troll, Peer Gynt IV, Wache, Volk, Pfarrer), Ulrich Kielhorn (Haegstadbauer, Troll, Wahnsinniger, Koch, Volk, Knopfgießer), Peter Reisser (Aslak, Troll1, Memnonsäule, Wahnsinniger, Der Magere, Fremder Paasagier), Toni Schatz (Bursche 1, Peer Gynt II, Der Krumme, Garstiger Junge, 1. Geschäftsmann, Dieb, Wahnsinniger, Kapitän, Volk, Sausen in den Lüften), Daniel Breitfelder (Bursche 2, Troll 3, Peer Gynt III, 2. Geschäftsmann, Hehler, Sandfaß, Volk, Welke Blätter, Bootsmann ), Peter Greif (Mats Moen, Sennerin, Troll, Begriffenfeldt, Volk), Richard Putzinger (Zuzügler, Der Dovre-Alte, Wahnsinniger, Steuermann, Matrose), Julia Maronde (Solveig, Mädchenchor)
- Regie:
- Antje Lenkeit
- Bühne:
- Beatrice von Bomhard
- Kostüme:
- Beatrice von Bomhard
- Musikalische Leitung:
- Andreas Dziuk
- Choreografie:
- Eric Trottier
Premiere am
Großes Haus