Dogville
Schauspiel von Lars von Trier nach seinem gleichnamigen Film
Hinaus in die Welt. Das hätte ich schon vor langer Zeit machen sollen. Was hat mich bloß davon abgehalten – außer Gewohnheit? Dogville ist ein kleines, hermetisch von der Außenwelt abgeriegeltes Bergdorf in den Rocky Mountains. Es scheint ein Refugium der Rechtschaffenheit, Arbeitsfreude und Eintracht zu sein. Eines Nachts verschlägt es Grace, eine junge Frau, in diesen Ort. Sie ist auf der Flucht vor einer Macht in schwarzen Autos, vielleicht der Mafia. Ein junger Mann gabelt sie auf und da Grace jung, rotblond und gut aussehend ist, möchte Tom, dass sie bleibt. Zuvor war ihm aus dem Inneren des schwarzen Wagens eine Visitenkarte gereicht worden, für alle Fälle. Auch Grace möchte gerne in der isolierten Gemeinde leben, das haben aber die Bewohner zu entscheiden. Es sind „gute Menschen“, die hier leben. Sie sind arm, aber sauber und ein bisschen skeptisch, und sie entscheiden: Grace darf bleiben, aber unter Vorbehalt. Sie wiederum möchte sich für das Vertrauen erkenntlich zeigen und bietet jedem im Ort ihre Hilfe an. Zunächst ist den Leuten allein die Idee von Arbeitsteilung peinlich, bald finden sich aber Gelegenheiten. Grace erweist sich als anpassungsfähig, auch verbreitet sie eine anmutige Verbindlichkeit, die ihrem Vornamen alle Ehre macht. Kaum haben wir die Bewohner dieser Mini-Polis und ihre kleinen Macken kennen gelernt, ziehen dunkle Wolken auf. Die Polizei fährt ein und schlägt einen Steckbrief an, der über Graces Verbrechen informiert. Ihre Position verschlechtert sich, aber wieder kommt man zu einer einvernehmlichen Lösung: Grace soll die Gefahr, der sie den Ort aussetzt, durch Mehrarbeit kompensieren – bei geringerer Bezahlung. Die Glocke des Gemeindehauses wird nun zum Taktgeber des neuen Regimes, das zunehmend strenger wird. Bald brechen die letzten Dämme – Gier und Niedertracht werden zur Regel. Alle nutzen ihre Lage aus, meistens in sexueller Hinsicht. Als sich die Stadien der Erniedrigung beschleunigen, entschließt sie sich zur Flucht, die jedoch misslingt. Da es schlimmer nicht kommen kann, macht Tom, ihr bislang nur platonischer Geliebter, von der Visitenkarte Gebrauch. „Wenn es einen Ort gibt, ohne den die Welt besser ist, dann ist es dieser hier“, entscheidet Grace am Ende von Dogville. Und sie steigt in das Auto der Gangster, vor denen sie geflüchtet war... Die Idee des Umschwungs, die Geschichte von der Rache einer Unterdrückten, hat sich Lars von Trier aus Pollys Gesang von der Seeräuber-Jenny in Bertolt Brechts Dreigroschenoper geborgt. Für Polly, wenngleich Tochter des Bettlerkönigs Peachum, ist die Rache eine Frage von morgen, für Grace eine Möglichkeit von heute. Dogville spricht von einer allgemeinen und ewigen menschlichen Niedertracht: Gebt ihnen den kleinen Finger und sie werden die ganze Hand nehmen. Für die Asyl suchende Grace herrscht Ausnahmezustand. Dogville ist nicht so sehr eine Abhandlung über komplexe Moralvorstellungen, vielmehr zeigt es Erbarmungslosigkeit um jeden Preis. Hinter jedem Lächeln, hinter der kleinsten Freude lauert immer schon der Hammer, der bald darauf niedergehen wird. Mit eiserner Logik und alttestamentarischer Wucht bringt von Trier das Unheimliche im Heimischen zum Vorschein, die Brüchigkeit unseres Zusammenlebens. Aus bäuerlicher Knappheit – „bald werden hier Leute auftauchen, die noch weniger haben als wir“ – macht er das Modell für ein soziales Leben, das nur den Gesetzen von Druck und Hierarchie gehorcht und immer bereit ist, sich durch den Ausschluss anderer zu definieren. Dogville erweist sich als eine gnadenlose Rampe, auf der die Dinge nur in eine Richtung rutschen können: nach unten, in den Relativismus einer manischen Machbarkeitsideologie. Das Stück „Dogville“ ist nach dem Originaldrehbuch des gleichnamigen Films entstanden, unterscheidet sich aber in Teilen vom fertigen Film und enthält zusätzliches Material.mit: Olaf Danner (Tom Edison), Katharina Waldau (Grace), Peter Greif (Thomas Edison Sr., Toms Vater), Sascha Römisch (Chuk), Chris Nonnast (Vera, Chucks Frau), Bettina Schmidt (Vera, Chucks Frau), Gesine Lübcke (Ma Ginger), Karen Schweim (Gloria, Ma Gingers Schwester), Till Florian Beyerbach (Bill Hanson), Susanne Engelhardt (Liz Henson, Bills ältere Schwester), Karlheinz Habelt (Jack Mc Kay), Rudolf Waldemar Brem (Jack Mc Kay), Toni Schatz (Ben), Adelheid Bräu (Martha), Rolf Germeroth (Der große Mann), Ulrich Kielhorn (Fahrer, Polizist)
- Regie:
- Dominik von Gunten
- Bühne:
- Carolin Mittler
- Kostüme:
- Marion Hauer
- Musikalische Leitung:
- Andreas Dziuk
Premiere am
Großes Haus