Der starke Stamm
Volksstück von Marieluise Fleißer
Im Leben und Werk der Dichterin spielte ihre Heimatstadt eine zentrale Rolle. In Ingolstadt verbrachte Marieluise Fleißer über sechzig ihrer 72 Lebensjahre, hier spielen ihr Roman, mehrere Erzählungen, ihre bekanntesten Theaterstücke. Der starke Stamm ist im Milieu kleiner Ingolstädter Handwerker und ihrer bäuerlichen Verwandtschaft angesiedelt. Das zeitlos realistische Volksstück, führt die Tradition der bayerischen Bauernkomödie desillusionierend fort – ohne das übliche versöhnliche Ende. Die im Stück porträtierten Kleinbürger, die ausschließlich nach Besitz streben, lassen wie nebenbei auch ein Bild der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft erstehen. Wohin diese rigorose Aufsteiger-Mentalität führt, zeigt sich am Schluss: die Ersten werden die Letzten sein. Kaum ist die Frau des Sattlermeisters Bitterwolf verstorben, streiten die Verwandten beim Leichenschmaus schon um ihre Habseligkeiten. Allen voran ist es die Schwägerin Balbina, die sich bei Bitterwolf einquartiert und ihre dubiosen Machenschaften in seinem Unternehmen weiterführt. Sie verkauft Spielautomaten, vertreibt pornographische Bilder und organisiert Wallfahrten - jedes Mittel ist ihr recht, wenn es nur genug Geld einbringt. Bitterwolf wird mehr und mehr in ihre dunklen Geschäfte hineingezogen, denn sie hat nicht nur das Kommando im Haus übernommen, sondern ihn auch in finanzielle Abhängigkeit gebracht. Nur die junge Magd Annerl macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie erhofft sich, durch eine Verbindung mit Bitterwolf endlich zu Reichtum zu kommen. Seinem Sohn Hubert gibt sie den Laufpaß, um die Geliebte Bitterwolfs zu werden, der sie bloß erotisch ausbeutet. Aber die Rechnungen gehen allesamt nicht auf. Die Autorin hat nie verschwiegen, dass die Handlung frei erfunden, die Figuren aber der eigenen Verwandtschaft abgelauscht sind. „Einige haben versucht, mir den „Starken Stamm“ zu verekeln, indem sie ihn für ein Heimatstück verschrieen. Das ist ein grobes Missverständnis. Ein Heimatstück ist es nämlich gerade nicht, weil es im Gegenteil versucht, den Charakteren auf den Grund zu kommen, und weil es Fehler nicht beschönigt. Es enthält einen guten Teil Kritik. Typen, die ich aus enger Anschauung kannte, aufs Maul zu schauen, war mein legitimes Recht.“ schrieb die Fleißer selbst zu ihrem Stück. „Der starke Stamm“ von Marieluise Fleißer stand zuletzt 1987/88 im Repertoire des Ingolstädter Theaters. Mit der Neuinszenierung leistet das Theater einen weiteren Beitrag zur 1200-Jahr-Feier Ingolstadts.mit: Nik Neureiter (Leonhardt Bitterwold, Sattlermeister), Alexander Leistritz (Hubert, Sohn von Bitterwolf), Adelheid Bräu (Balbina Puhlheller, Schwägerin von Bitterwolf), Matthias Winde (Schwager von Bitterwolf), Ulrich Kielhorn (Schwager von Bitterwolf), Simone Oswald (Annerl, Magd bei Bitterwolf), Karlheinz Habelt (Schindler, Annerls Vater / Ein Schutzmann), Wolfgang Krebs (Der Onkel von Rottenegg), Peter Reisser (Metzgerjackl), Ellen Brugger (Frau Gruber, Hebamme), André Felgenhauer (Gerichtsvollzieher / Ein Vetter), Daniel Kersten (Gerichtsvollzieher / Ein Vetter)
- Regie:
- Dominik von Gunten
- Bühne:
- Daniel Roskamp
- Kostüme:
- Daniel Roskamp
Premiere am
Kleines Haus