Rinderwahnsinn
von John von Düffel
Die Politgroteske spielt im Hause Karlmarx/Muttermeinhof (Nomen est Omen), wo der Unterschied zwischen einer Familie und einer terroristischen Vereinigung auf ein Minimum geschrumpft ist. Für den Sohn Faustersterteil, frisch promoviert und Skin, gibt es da nur eins: er muss den Generationskonflikt durch einen entschiedenen Vatermord beenden. Tochter Hänselundgretel dagegen braucht Karlmarx lebend, denn sie will Papas Bauch, ihr spezielles Objekt der Begierde, mit Brei und Braten mästen. Die Interessen des Nachwuchs kollidieren empfindlich. Und Muttermeinhof ist sowieso stinksauer. Erstens liegt Faustersterteil mit imperialistisch- chauvinistischen Thesen wie „Die Wahrheit ist die Geilheit“ ein wirklich „pottsaumäßiges Geschichtsbewusstsein“ an den Tag, und zweitens ist die Familie – vom kapitalistisch- finanziellen Standpunkt aus gesehen- absolut pleite. Nur ein anonymer Kontaktmann aus alten RAF- Zeiten, ein „entfernter Verwandter“, wie es seinerzeit im Untergrundjargon hieß, könnte noch helfen. Als dann tatsächlich ein Herr aus Sachsen, der vermeintliche Vetter aus Dingsda vor der Tür steht, geht der Wahnsinn erst richtig los... Ob der radikalen Alt-68er Generation oder der politisch ausgetrockneten 89er- Generation, ob den Frauen im Allgemeinen, den männlichen Softies bzw. Machos im Speziellen oder den Bürgern der „fünf neuen Länder“ zugehörig - alle bekommen in RINDERWAHNSINN eine kräftige Portion ab. Eine wirklich bissige Komödie, die individuelle Werte einer ganz neuen Betrachtungsweise unterzieht und sich in der Form irgendwo zwischen Jarrys „Ubu Roi“ und „Monty Python“ bewegt. John von Düffel, Jahrgang 1966, schrieb das Stück 1999. Da war er längst kein Unbekannter der Literaturszene. Fast 20 Stücke hat der promovierte Erkenntnistheoretiker und Dramaturg vorgelegt, dazu Romane. Eines seiner Stücke trägt den Titel DAS SCHLECHTESTE THEATERSTÜCK DER WELT. Leider hält der Titel nicht , was er verspricht, dazu ist es viel zu gut. Bei RINDERWAHNSINN ist auf alle Fälle das zweite Wort Programm: schräg, schrill und sehr komisch...mit: Rolf Germeroth (Karlmarx), Aurel Bereuter (Faustersterteil), Manuela Brugger (Muttermeinhof), Dietrich Schulz (Der Vetter aus Dingsda)
- Regie:
- Dominik von Gunten
- Bühne:
- Sibylle Gaedeke
- Kostüme:
- Sibylle Gaedeke
Premiere am
Werkstatt/Junges TheaterAugsburger Allgemeine
– 15.05.2004
Theatraler Wahnsinn
Wunderbar drall mittendrin die hingebungsvolle, hinreißende Adelheid Bräu als knallig-poppiger Püppchenvamp. So viel theatraler Wahnsinn sprengt jeden theoretischen Ordnungsgeist.