Judas
Monolog von Lot Vekemans
Iskariot zählt zu den dunkelsten Figuren der Bibel. In einer Zeit voller neuer Propheten schloss er sich Jesus an. Er gehörte zu den zwölf Jüngern und verriet ihn für 30 Silbermünzen an die Hohenpriester. Daraufhin wurde Jesus an die Römer ausgeliefert und gekreuzigt. Die Meinung der Allgemeinheit über Judas steht seit jeher fest: ein Denunziant. Geldgierig, egoistisch und hinterhältig. Ein Urteil für die Ewigkeit. Wie in Stein gemeißelt. Doch nach 2000 Jahren meldet sich der Beschuldigte selbst zu Wort und schildert die Ereignisse aus seiner Perspektive. Er berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen mit dem Wanderprediger aus Nazareth. Es ist eine Geschichte über Glaube, Zweifel und Schuld. Wer hat das Recht, ein Urteil über das Leben der anderen zu fällen? Hat nicht jeder von uns sich irgendwann einmal schuldig gemacht? Die niederländische Autorin Lot Vekemans hinterfragt in ihrem Theaterstück die gängige Interpretation einer altbekannten Geschichte radikal.
mit: Philip Lemke
- Regie:
- Philip Lemke
- Mitarbeit:
- Stefan Eberle
Premiere am
Festsaal
»Philip Lemke leiht diesem Judas seine Stimme. Und es ist ein Kraftakt, wie er diesen Monolog stemmt. Hoch konzentriert. Äußerst präsent. Im Festsaal ist zwischen den Sitzreihen im Parkett ein quadratisches Bühnenpodest aufgebaut. Darauf ein alter Hocker im gleißenden Licht. Und ringsum Leere. Das Publikum sitzt im ersten Rang und blickt zu ihm hinab. Falscher Ort, denkt man zunächst. Man sieht nicht richtig. Bisweilen verhallen die Worte in dem riesigen Raum. Aber dann merkt man, dass es vielleicht doch der richtige Ort ist für diese Inszenierung. Weil alles so unwirklich ist. So geisterhaft. [...] Philip Lemke kauert auf seinem Hocker, streicht rastlos über seine Oberschenkel. Die Schultern zucken. Er reckt den Kopf. Holt Luft. Springt auf. Zeigt diesen Judas in all seiner Widersprüchlichkeit und Komplexität. Verstrickt das Publikum in seine Überlegungen. [...] Zeigt sich verwundbar. Redet sich in Rage. ›Jetzt reicht’s!‹, schreit er denen entgegen, die – schon seit Jahrhunderten– auf ihn herabschauen. Setzt sich wieder. Fragt: ›Angenommen, Sie hätten damals gelebt – wo hätten Sie gestanden?‹ Und spätestens da wird dem Zuschauer klar, wie viel wir alle mit diesem Judas gemein haben. Das Zaudern. Das Zweifeln. Die falschen Entscheidungen. Starke Leistung! Spannender Abend!«
»Dieser Abend zeigt vor allem eines: Den großartigen Schauspieler Philip Lemke, der einen Text so glasklar gedacht und eindringlich sprechen kann, dass einem als Zuhörer kein Satz verloren geht. Dass man seinen Fragen, seinen Erläuterungen gespannt folgt, obwohl die Mutmaßungen über Judas, die die 1965 geborene niederländische Autorin Lot Vekemans ihre Bühnenfigur Judas sagen lässt, in der Theologie, in Büchern und Filmen längst formuliert wurden. [...] Ergreifender als diese theologischen Hypothesen ist, wie die Autorin die Erinnerungen an die drei Jahre mit dem ›Meister‹, der Name Jesus fällt nie, imaginiert. Stille Momente der Nähe am nächtlichen Lagerfeuer, die Sehnsucht nach Freundschaft und das Mitgefühl mit einem 33Jährigen, der mit Todesahnungen nach Jerusalem geht. Und ein berührendes, zumindest mir nicht aus der Bibel bekanntes ›Wunder‹. ER fragt immer wieder, was siehst du? Und irgendwann sieht Judas nicht mehr nur einen Stein, der da liegt. Er sieht einen alten Mann und einen schwer unter dem Gepäck belasteten Esel. Er sieht empathisch das Elend, nicht mehr nur einen Stein. Philip Lemke hat diesen Abend weitgehend alleine erarbeitet, bei sich selbst Regie geführt. Chapeau!«