Der Sandmann
Nach der Erzählung von E.T.A. Hoffmann
In einer Fassung von Alexander Nerlich
Der Informatik-Student Nathanael bekommt das Angebot, an dem Forschungsprojekt »Olympia« zum Thema Künstliche Intelligenz mitzuarbeiten und verlässt deswegen seine Heimatstadt. Für die anstrengenden Studien zieht er sich vollkommen zurück und programmiert den ganzen Tag. Zu seiner Verlobten Clara und anderen Freunden hat er kaum noch Kontakt. Für das Projekt soll Nathanael einen Turing-Test an der virtuellen KI durchführen. Bei dem Experiment, das ursprünglich vom Computer-Vorreiter Alan Turing 1950 entwickelt wurde, soll ein Mensch im Dialog mit einer Maschine erkennen, ob es sich bei dem Gesprächspartner um einen Menschen oder eine Maschine handelt. Doch die intensive Arbeit hat ihren Preis: Nathanael hört eines Tages Stimmen und hat Halluzinationen. Sind das alles nur Einbildungen? Wer oder was verbirgt sich dahinter?
Regisseur Alexander Nerlich holt die klassische Schauergeschichte von E.T.A. Hoffmann aus dem 19. Jahrhundert in unsere Gegenwart und konfrontiert uns mit vielen aktuellen Fragen: Verschwimmen in unserer durch Medien geprägten Wahrnehmung der Welt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion immer mehr? Können die technischen Innovationen des digitalen Zeitaltes auch für Überwachung und Manipulierung missbraucht werden? Was verstehen wir unter Menschlichkeit, wenn die KI uns immer ähnlicher wird?
Hier finden Sie das Programmheft.
Die Aufführung findet im digitalen Raum über eine Zoom-Konferenz statt. Deshalb ist es vorab erforderlich, das Programm Zoom auf Ihrem Computer zu installieren. Das Stück wird zu jedem Termin live aufgeführt. Außerdem empfehlen wir, kein Handy als Endgerät für dieses Online-Format zu benutzen. Nach der Ticketreservierung erhalten Sie einen Link zur Konferenz. Die Tickets mit Zugangslink können Sie über den Webshop erwerben.
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Triggerwarnung/Contentwarnung:
Diese Inszenierung enthält explizite Erwähnung körperlicher, seelischer oder sexualisierter Gewalt, an Kindern/Jugendlichen. Die könnten einige Zuschauer*innen beunruhigend finden. Deshalb sprechen wir eine Altersempfehlung von 15 Jahren aus.
mit: Péter Polgár (Nathanael), Theresa Weihmayr (Clara / Olympia), Jan Gebauer (Coppelius / Es), Peter Reisser (Vater / Professor Spalanzani)
- Regie:
- Alexander Nerlich
- Bühnenbild:
- Thea Hoffmann-Axthelm
- Kostümbild:
- Tine Becker
- Choreografie:
- Cecilia Wretemark
- Musik und Sound:
- Malte Preuss
- Dramaturgie:
- Johann Pfeiffer
- Regieassistenz:
- Pauline Knabner
- Mediendramaturgie:
- Paul Voigt
- Video:
- Esteban Nuñez, Tobias Lange
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
- Theatervermittlung:
- Bernadette Wildegger
- Soufflage:
- Constance Chabot-Jahn
- Inspizienz:
- Rowena Haunsperger
Premiere am
Digitale Bühne
»Insgesamt besticht die Produktion durch eine innovative Herangehensweise, eine spannende Aufbereitung des Stoffes und ein Ensemble in Höchstform. […] Schon mehrfach hat sich Alexander Nerlich als Spezialist für Erkundungen menschlicher Dunkelwelten erwiesen. […] In ›Der Sandmann‹ gelingt es ihm, das romantische Schauermärchen mit der Erbarmungslosigkeit der Gegenwart zu paaren, die Hoffmann'sche Grundstruktur aus dem Text des 19. Jahrhunderts zu kondensieren und virulente Themen des 21. Jahrhundert zu implantieren. […] Alexander Nerlich arbeitet mit vier Bildschirmen, über die das Publikum den Protagonisten aus verschiedenen Kameraperspektiven überwacht, durch die der albtraumhafte Golem spukt, auf die sich Clara im Facetime-Modus schaltet und wo schließlich auch Olympia generiert wird. Mitten hinein ins blaue Wolken- oder besser: Cloud-Kuckucksheim wird Theresa Weihmayr als Olympia gebeamt. […] Wie diese erste Begegnung zwischen Mensch und Maschine vonstatten geht, mit solch scheuer Zartheit, Unbedarftheit und emotionaler Konfusion – das gelingt Theresa Weihmayr und Péter Polgár unglaublich berührend. Überhaupt die Schauspieler: formidabel allesamt. […] Jan Gebauer als Stimme in Nathanaels Kopf geht einem in seiner raumgreifenden Niedertracht durch und durch. Theresa Weihmayr agiert so facetten- wie kontrastreich als abgeklärte Clara und artifizielle Olympia. Und Péter Polgár spielt sich mit Furor durch alle Stadien einer instabilen Existenz. […] Und das Ende ein echter Coup! Hier die verblassende Ödnis von Nathanaels Gefängnis, dort die verlockende Strahlkraft einer innovativen Parallelwelt. Alexander Nerlich schafft eindringliche Bildwelten, zu denen Malte Preuß einen düsteren Sound aus Tetris und Herzschlag, Sphärenklängen und Störgeräuschen kreiert. Raffiniert wird hier E.T.A. Hoffmanns schaurige Geschichte des ›Sandmanns‹ ins digitale Zeitalter transformiert und stellt dabei nicht nur Fragen nach Realität und Fiktion, Machbarkeit und Maschinenlogik neu – sondern auch die nach der Menschlichkeit.«
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»Aus den Briefen der Hoffmann‘schen Erzählung wird im 21. Jahrhundert ein Videochat. Eine überaus reizvolle Aktualisierung. Das Spiel der Perspektiven, das auch schon in der Vorlage ein Spiel mit Nähe und Ferne ist, bekommt so eine neue Direktheit und Dringlichkeit. Die Technik schafft eine Nähe zwischen Nathanael und Clara, die in Wahrheit nur eine Illusion ist. Mehr noch als bei Hoffmann entpuppt sich die von Theresa Weihmayr gespielte junge Frau mit ihrem puppenhaft geschminkten Gesicht und ihrer gezielt ausdruckslosen Mimik als Projektion eines jungen Mannes, der schon immer nur in seiner eigenen engen Welt gelebt hat. […] Polgárs Darstellung, die in ihrer Überreiztheit etwas Theaterhaftes hat und doch kein typisches Bühnenspiel ist, spiegelt das Hybride dieser Inszenierung. Alexander Nerlich gelingt es, Theater und Film nicht zusammenzubringen, sondern bewusst kollidieren zu lassen. Das Kino ist in den bis zu vier Kacheln des Streams, […] allgegenwärtig. Immer wieder streut Nerlich Verweise auf Science Fiction- und Horrorfilme ein. […] Gerade die Bilder, in denen die digitalen Tricks offensichtlich werden, in denen der Green Screen unter den Projektionen aufzuscheinen scheint, verleihen dieser ›Sandmann‹-Variation etwas ganz und gar Eigenständiges. Das Theater, dieser ursprüngliche virtuelle Raum, holt sich zurück, was ihm Film und Fernsehen genommen haben.«
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Alexander Nerlichs Projekt ist »ungemein treffend, erhellend, ein sehr gelungener Kommentar auf unsere derzeitige Situation, zwingend erschaffen mit einem alten Text.«
»Regisseur Alexander Nerlich hat E.T. A. Hoffmanns düstere romantische Erzählung ›Der Sandmann‹ in einem digitalen Live-Theater-Format in einer digitalen Gegenwart inszeniert. Entstanden ist nicht abgefilmtes Theater unter Corona-Bedingungen, sondern ein faszinierendes Spiel mit digitalen Kommunikationsformen […]. […] Alexander Nerlich und dem Technik- und Videoteam des Stadttheaters ist eine überzeugende Hybrid-Version aus digitalem und Live-Theater gelungen, weil der Stoff genau diese Grenzverwischungen zwischen realer und phantasmagorisch/virtueller Welt zum Thema hat und dafür klug adaptiert wurde. […] Der immense technische Aufwand hat sich gelohnt. Mit dem Stoff von E. T. A. Hoffmanns ›Der Sandmann‹ ist Alexander Nerlich das Experiment gelungen, neue Formen des digitalen Erzählens zu erproben.«
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