Die Konferenz der Vögel
von Jean-Claude Carrière • Nach einem Epos von Fariduddin Attar
Deutsch von Renate Doufexis • Fassung von Knut Weber
Nicht von ungefähr wählt der persische Poet Fariduddin Attar ausgerechnet »Vögel « als Protagonist*innen. Seit Alters her stellt der Vogel die Verbindung zwischen den Menschen und den Göttern dar und steht für Gedankenfreiheit und Transzendenz. Der Vogel gilt als archetypisches Seelentier, das im Tod seinen körperlichen Käfig verlässt und ewige Freiheit erhält. »Das fasziniert durch archaische Kraft, die in das 21. Jahrhundert hineingreift: Die Konferenz der Vögel spiegelt eine aufgeklärte Gesellschaft, in der jeder Einzelne selbstbewusst, verantwortlich und in Würde handelt. Jeder ist König, diese Erkenntnis ist nicht nur eine spirituelle oder existenzielle, sondern immer eine politische «, so Knut Weber.
mit: Blerim Hoxha (Geige), Ulrich Wangenheim (Klarinette, Bassklarinette), Christoph Schultheiß (E-Gitarre), Ludwig Leininger (Kontrabass), Ingrid Cannonier (Wiedehopf), Michael Amelung (Reiher / Mann), Benjamin Dami (Taube / Spieler), Olivia Wendt (Sperling / Eule / Astrologe), Philip Lemke (Exotischer Vogel / Derwisch / Mann mit Perlentränen), Mira Fajfer (Exotischer Vogel / Prinzessin / Spielerin mit Schmetterlingen), Ralf Lichtenberg (Falke / Suchender Mann), Theresa Weihmayr (Ente / Papageienweibchen / Sündenvogel / Kammerdiener), Sarah Schulze-Tenberge (Rebhuhn / König / Doppelvogel / Greis / neuer Vogel), Judith Nebel (Pfau / Sklave / Nachtigall / neuer Vogel 2 / Tänzerin)
- Regie:
- Knut Weber
- Ausstattung:
- Monika Gora
- E-Piano, Perkussion, Sequenzer:
- Tobias Hofmann
- Choreografie:
- Katja Wachter
- Video:
- Stefano Di Buduo
- Mitarbeit Video:
- Momchil Alexîev
- Dramaturgie:
- Gabriele Rebholz
- Regieassistenz:
- Chiara Hunski
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
- Inspizienz:
- Annette Reisser
- Soufflage:
- Constance Chabot-Jahn
Premiere am
Freilichtbühne im Turm Baur
Knut Weber setzt "Die Konferenz der Vögel" eindrucksvoll im Turm Baur in Szene
[...] Mit der "Konferenz der Vögel", dieser großen mystische Dichtung der persischen Literatur aus dem 12. Jahrhundert in der Theaterfassung von Jean-Claude Carrière eröffnete das Stadttheater Ingolstadt am Samstagabend unter freiem Himmel die Saison.[...] Die Corona-Pandemie hat alles durcheinandergewirbelt und dem Kulturbetrieb ein striktes Sicherheits- und Hygienereglement auferlegt: weniger Zuschauer, Mindestabstände, Kontaktdatendokumentation, Maskenpflicht. Auch für die Schauspieler gilt ein solches Konzept: Abstand, personalisierte Microports und Requisiten, Make-up-Tutorials. Wie trotz alledem im kreativen Prozess etwas entsteht, das nicht irgendwie nach Corona-Kompromiss aussieht, sondern künstlerisch eigenständig und mit großer poetischer Kraft wirkt, führt Regisseur Knut Weber mit dieser ersten Produktion eindrucksvoll vor Augen. Am Ende dieses so märchen- wie rätselhaften und doch erhellenden Abends gibt es minutenlangen Applaus.
[...] Vor allem aber ist es auch ein ästhetisches Gesamtkunstwerk. Von Peter Brooks Gedanken über den leeren Raum hatte man sich inspirieren lassen - also von der Rückbesinnung des Theaters auf das Wesentliche. Ausstatterin Monika Gora hat ein hölzernes Halbrund in das Festungsrund des Turm Baurs gesetzt und mit Sand gefüllt - auf dieser Fläche agieren die Schauspieler. Das Pendant dazu bildet ein kleinerer hölzerner Kreis, der das Eingangstor umfasst - und das Weltenrund symbolisiert. Ganz vorn sieht man riesige weiße Maskenköpfe: Archetypen aus dem Geschichtenkosmos: die Prinzessin, der Derwisch, der König, der Weise. Ganze Arbeit haben Maske und Kostümabteilung da geleistet. Superb sind vor allem die Vögel gearbeitet, die da über die Bühne flattern: all die feinen Haken-, Balz-, Taucher- und Pinzettenschnäbel, kurz, schmal, spitz, flach, kühn geschwungen, knallbunt; dazu die fantastischen Federkleider von protziger Pfauenornamentik bis zum zartesten Schiefergraubraun. Köstlich ist das, was sich Monika Gora für die einzelnen Vögel ausgedacht hat [...].
[...] Überwältigend ist aber vor allem, wenn sie in Flugformation gehen - und in Katja Wachters Choreografie durchstarten: das Scharren der Beine, der rhythmisierte Flügelschlag, die rotierenden Bewegungen, die unterschiedliche Taktung in Slow Motion, Gleitflug, Schwirrflug, Schlagflug. Der Moment, wo aus vielen Individuen eins wird. Dazu die Musik von Tobias Hofmann und seiner fünfköpfigen Band, die sich bei der Minimal Music bedient, hier flirrt und strahlt, dort seufzt und klagt, Melodienbögen malt und Zeitenwenden einläutet - vom Chaos des Weltenklangs über Reduktion, Kontinuität, Rhythmisierung zur Ordnung. Das Spiel lebt auch von der Nacht. Wenn die Vögel die sieben Täler durchqueren, sieht man droben den dunklen Himmel, während Stefano Di Buduos Videokunst die Fassade des Turm Baurs in schwarz-weiße Wirrnis verwandelt, in amorphe Strukturen, in Wasser- und Feuerexplosionen und Unsagbares in Sternbildmustern auflöst.[...]
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»Regisseur Knut Weber hat mit der Ausstatterin Monika Gora, dem Videokünstler Stefano di Buduo, der Live-Musik von Tobias Hofmann, der Choreographin Katja Wachter und einem 10-köpfigen Schauspielensemble ein reduziertes, und dennoch atmosphärisch dichtes Gesamtkunstwerk geschaffen [...]. Da gibt es […] eine nur dezent farbige und dennoch sehr poetische Bildwelt, die offen genug ist, um Gegenwart und Allgemeingültigkeit, rätselhafte Mystik und die Drastik kleiner Binnengeschichten ästhetisch und erzählerisch eindrucksvoll unter einen Hut zu bringen. […] Mira Fajfer, Judith Nebel, Olivia Wendt, Sarah Schulze Tenberge, Theresa Weihmayr, Michael Amelung, Benjamin Dami, Philip Lemke und Ralf Lichtenberg sind ein wunderbar homogenes Ensemble mit individuellen Glanzlichtern. Sie imitieren ihren Vogeltypus in Haltung und Stimme, kommentieren individuell die Situationen und fügen sich in ein faszinierend choreographiertes Bild vom Vogelflug, sie werden zu menschlichen Spielern, charakterisieren bewegend die Rollen der Binnengeschichten wie Judith Nebel als vor Angst zitternder Sklave oder Mira Fajfer und Philip Lemke als kaltherzige Prinzessin und unglücklich verliebter Derwisch. Und die 5-köpfige Band um Tobias Hofmann setzt stimmungsvolle Akzente mit Gong, Geige, E-Gitarre oder Klarinette und vereint sich schließlich mit den menschlichen Stimmen zu einem metaphorischen Schlussbild der Kreisbewegung des Kollektivs um ein Feuer. Großes, eindrucksvolles Theater ist auch unter Pandemiebedingungen möglich.«
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»Knut Webers Inszenierung bezaubert […] durch das Ausstellen der Verwandlungskünste, das Spiel mit Illusion und Desillusion, mit dem Erzählen kleiner Geschichten […].« Der Gesamteindruck besticht durch »starke Ästhetik durch eine fantastische Ausstattung (Monika Gora), atmosphärisch signifikante Videoeinspielungen (Stefano Di Buduo), die fast minimalistisch akzentuierende Bühnenmusik (Tobias Hofmann mit seinem vorzüglichen Quintett). Die famose Ingrid Cannonier als Wiedehopf führt moderierend die illustre, spielfreudige, aus insgesamt zehn Arten bestehende Vogelschar an. Die Premiere wurde mit reichlichem Beifall bedacht.«