Vor Sonnenaufgang
Ewald Palmetshofer
Nach Gerhart Hauptmann
Die Familie. Ort der Liebe, der Geborgenheit und des Zusammenhalts. Wie es um den familiären Schutzraum steht, verrät auch viel über unsere Gesellschaft. Das erkennt auch der linke Journalist Alfred Loth, als er auf seinen Recherchen über den derzeitigen Rechtsruck einen Studienkollegen aufsucht. Sein alter Freund Thomas Hoffman lebt inzwischen auf dem Land und macht Karriere als Jungunternehmer. Er hat sich eingeheiratet in den mittelständischen Familienbetrieb der Krauses. Die älteste Tochter Martha erwartet ein Kind von ihm. Darüber hinaus macht sich Hoffmann mit populistischen Parolen gegen die Eliten einen Namen als Lokalpolitiker. Mehrere Tage verbringt Loth im Haus der Krauses. Er versucht zu verstehen, was aus seinem ehemaligen Zimmergenossen geworden ist. In dieser Zeit lernt der Journalist auch die einzelnen Familienmitglieder kennen. Martha aber, die wie ihre verstorbene Mutter Johanna an Depressionen leidet, meidet diese Gesellschaft weitestgehend. Durch die scheinbar heile Welt der Familie geht ein irreparabler, abgrundtiefer Riss, der in der Katastrophe einer Totgeburt gipfelt.
Ewald Palmetshofer gilt als einer der wichtigsten Gegenwartsdramatiker. Mit seinem Stück greift er Gerhart Hauptmanns frühes Sozialdrama »Vor Sonnenaufgang « von 1889 auf und überschreibt dessen Figuren. Aus dem Porträt einer schlesischen Familie am Ende des 19.Jahrhunderts wird die Momentaufnahme des heutigen Mittelstandes. Gerade diese aktuelle Milieustudie interessiert Regisseur Jochen Schölch: »Durch unsere Gesellschaft zieht sich immer mehr eine Kluft. Das erkennt man nicht nur an den extremer werdenden politischen Polen. Es geht bis ins Private, wie Palmetshofer hellsichtig beschreibt.«
Hier finden Sie das Programmheft.
mit: Sascha Römisch (Egon Krause), Renate Knollmann (Annemarie Krause), Theresa Weihmayr (Helene), Sarah Schulze-Tenberge (Martha), Matthias Zajgier (Thomas Hoffmann), Enrico Spohn (Alfred Loth), Richard Putzinger (Dr. Peter Schimmelpfennig)
- Regie:
- Jochen Schölch
- Bühne:
- Fabian Lüdicke
- Kostüme:
- Andrea Fisser
- Dramaturgie:
- Daniel Theuring
- Regieassistenz:
- Verena Wais
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
- Bühnenbildassistenz:
- Milena Keller
- Kostümbildassistenz:
- Corinna Theuring
- Theatervermittlung:
- Bernadette Wildegger
- Inspizienz:
- Heike Thiedmann
- Soufflage:
- Maren Molter
Premiere am
Großes Haus
»Eindrucksvoll aber ist vor allem das Spiel des siebenköpfigen Ensembles. Nicht nur, weil es Palmetshofers herausfordernde Sprache aus artifiziellem Weglassen zum Klingen bringt, sondern weil es mit großer Präzision, Virtuosität und darstellerischer Wucht so kunstvoll gesellschaftlich brisante Themen verhandelt. Unglaublich präsent sind sie alle – jeder und jede vermag zu glänzen in der Tiefe und dem Facettenreichtum, die sie ihren Figuren mitgeben.«
»Sehr menschlich ist diese Inszenierung. Wunderbar genaues, stilles Theater. Und damit eigentlich das Gegenteil der lautstark primitiven Konfrontationen einer gespaltenen Gesellschaft, deren Abbilddiese Familienkonstellation in ›Vor Sonnenaufgang‹ ist.«
»Ewald Palmetshofer hat 2017 eine ›Überschreibung‹ vorgelegt, die auf den ersten Blick nur wenig mehr als den Titel und die Namen der handelnden Personen mit dem Klassiker gemeinsam zu haben scheint. Schockwirkung vermag die Verheutigung des Stoffes bei genauem Hinsehen und -hören aber durchaus zu entfalten. Dabei kommt einem die Inszenierung von Jochen Schölch, die jetzt am Stadttheater Ingolstadt Premiere hatte, mit den gepflegten Boulevard-Dialogen, die das Publikum mit Lachen quittiert, anfangs recht amüsant vor.«