Furor
Lutz Hübner und Sarah Nemitz
Ministerialdirigent Heiko Braubach steht mitten im Wahlkampf. Er kandidiert für das Amt des Oberbürgermeisters. Da überfährt er einen drogenabhängigen Jugendlichen, der als Schwarzfahrer auf eine Straßenbahn springen will. Braubach ist unschuldig, das steht laut Polizeibericht fest. Obskure und sehr dunkle Internetforen sehen das aber anders. Der Politiker entschließt sich zu einem Besuch bei der Mutter des 18-jährigen Enno, der beinamputiert auf der Intensivstation liegt. Er will helfen und dank seines gesellschaftlichen Einflusses für Ennos Zukunft einiges in die Wege leiten. Ein Ausbildungsplatz steht ganz oben auf seiner Wohltätigkeitsliste. Da taucht der 30-jährige Neffe der Mutter auf. Ein Loser auf ganzer Linie, abhängig von einem Subunternehmen, welches sich nicht um den Mindestlohn schert.
Der »Wutbürger« legt gleich los. »Politiker rettet Junkie das Leben«, sei ganz klar »Lügenpresse « und Braubach sei ein »Volksverräter «. Dafür soll er jetzt zahlen. Ein liberaler Politiker zu Gast bei den Losern dieser Gesellschaft. Die Fronten sind verhärtet. Eine Kommunikation schier unmöglich. Ist eine Katastrophe zu verhindern ? »Das Stück ist für mich wie ein Flugsimulator für das gestörte Verhältnis zwischen Bürger und Politik. Gekonnt lassen Hübner und Nemitz diese Welten schonungslos aufeinanderprallen. Der Alltag kippt ins Dramatische. Besonders interessiert mich die aufkommende Hoffnung von Jerome, einem jungen Mann, der in diesem Unglück seine Freiheit sucht«, erklärt Regisseur Simon Dworaczek.
mit: Jan Gebauer (Heiko Braubach, Ministerialdirigent), Victoria Voss (Mutter), Jan Beller (Jerome Siebold)
- Regie:
- Simon Dworaczek
- Musikalische Leitung, Komposition:
- Jörg Reissner
- Ausstattung:
- Maike Häber
- Dramaturgie:
- Gabriele Rebholz
- Regieassistenz:
- Alexandra Nack
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
- Ausstattungsassistenz:
- N.N.
- Theatervermittlung:
- Bernadette Wildegger
- Inspizienz:
- Eleonore Schilha
- Soufflage:
- Constance Chabot-Jahn
Premiere am
Studio im Herzogskasten
»Simon Dworaczek hat ›Furor‹ im Ingolstädter Studio eindrucksvoll in Szene gesetzt. Die Premiere am Freitagabend wurde lange beklatscht. Und das liegt in erster Linie an dem hervorragenden Schauspieltrio, das die Figuren zum Schillern bringt. Denn in ›Furor‹ gibt es nicht nur schwarz oder weiß, gut oder böse, richtig oder falsch, es gibt vor allem Zwischentöne. Und das zeigen die Schauspieler wirkmächtig. […] Victoria Voss spielt Nele so, dass sie dem Zuschauer nah ist: verzweifelt, zornig, dünnhäutig, kämpferisch, überfordert, ohnmächtig. […] Jan Gebauer ist Heiko Braubach, ein Politiker durch und durch. […] Jan Gebauers Braubach ist ein Machtmensch. Und das zeigt er in den leisen Momenten so brillant wie in den lauten. […] ›Furor‹ beschreibt eine psychologische Ausnahmesituation: Hier prallen sie aufeinander, die Welten dieser drei Personen, deren Charaktere und Positionen nicht unterschiedlicher sein könnten, die aber eines verbindet: Angst. Angst um ihre Existenz. Sie reden. Aber eine Verständigung ist nicht möglich. Regisseur Simon Dworaczek hat das alles mit großer Präzision in Szene gesetzt. Vor allem die kippeligen Momente, die Stimmungswechsel, die kurzzeitig Nähe vorgaukeln, um dann in Brutalität umzuschlagen, die atmosphärischen Spannungen, die bisweilen ins Surreale driften, meistert sein Ensemble grandios.«
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»›Furor‹ ist ein konventionell gebautes Theaterstück. Alles spielt sich quasi in Echtzeit von 85 Minuten in einem Raum ab, der schäbigen Wohnung der Mutter des Unfallopers […]. Aber klugerweise haben die beiden Autoren diese Figuren auch in eine psycholisch spannende Situation versetzt. Es gibt also neben dem Argumentationsaustausch auch viel zu spielen für Victoria Voss, Jan Gebauer und Jan Beller. Und Simon Dworaczek hat diese menschliche Differenzierung sehr schön herausgearbeitet, so dass der Zuschauer nicht so leicht sein gedankliches Zustimmungshäkchen für die eine oder die andere Position machen kann. Klar wird die Eskalation hochgetrieben. Spannung muss sein. Der Dauersound von Jörg Reissner trägt ebenfalls dazu bei, dass hier auch das Genre Psycho-Krimi bedient wird.«
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