Skin Deep Song
Noah Haidle
Deutsch von Thomas Krupa
Mimi und Woden heißen die beiden Schwestern, übergeblieben in einer endzeitlichen Welt am Rande des Krieges. Im Schlepptau die toten Körper ihrer Eltern, des Königs und der Königin – niedergestreckt auf einer Party von einem Attentäter. Um nicht verrückt zu werden, spielen die Schwestern immer wieder Momente aus glücklichen Tagen nach, erzählen sich die alten Witze… In diesen Spielen tauchen Figuren aus ihrer Vergangenheit auf: der junge Hal, der auf der Party mit Mimi getanzt hat, der Großvater der beiden Schwestern, der scheinbar demente Ex-König, aber auch ihre Eltern…
»Skin Deep Song« ist ein Stück über die Lücken, die Menschen in unseren Leben hinterlassen und darüber, wie wir damit umgehen. Mit Witz und viel Liebe für seine Figuren erzählt Noah Haidle ein Endzeitmärchen, immer auf der Gratwanderung zwischen Komik und Tragik, in einer Welt, die uns in gleichem Maße fremd und vertraut erscheint. Das erinnert sehr an Beckett. Wie er nimmt Noah Haidle die einfachen Wünsche der Menschen, Wünsche nach einem Zuhause, nach Liebe und Angenommensein, und baut sie in seine eigenen Welten. Dem Zuschauer zeigen sie sich wie unter einem Brennglas – auf ihr Wesen reduziert. Die Welt von Woden und Mimi wird in Ingolstadt von Alexander Nerlich inszeniert, der dem hiesigen Publikum bereits durch seine dichten und geheimnisvollen Bilderwelten bekannt ist. »Skin Deep Song« beschreibt er als »ein verrücktes Stück in pointierten Dialogen, das auf mehreren Zeit- und Spielebenen tanzt. Lustig und beklemmend zugleich; grausam und phantastisch, wie ein Märchen. Mit Figuren, die unablässig gegen die Angst, die Leere und den nahenden Tod anspielen. Frech, geheimnisvoll, hart und poetisch... Ein guter Theatertext eben.«
Bitte beachten Sie, dass in der Inszenierung »Skin Deep Song« Stroboskopeffekte zum Einsatz kommen.
mit: Mira Fajfer (Woden), Sarah Schulze-Tenberge (Mimi), Marc Simon Delfs (Hal), Ralf Lichtenberg (Stacey & Offizier), Victoria Voss (Gay), Jan Gebauer (Großvater & Attentäter)
- Regie:
- Alexander Nerlich
- Bühne:
- Wolfgang Menardi
- Kostüme:
- Žana Bošnjak
- Musik:
- Malte Preuss
- Choreografie:
- Alice Gartenschläger
- Dramaturgie:
- Katharina Solzbacher
- Regieassistenz:
- Alexandra Nack
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
- Theatervermittlung:
- Bernadette Wildegger
- Inspizienz:
- Annette Reisser
- Soufflage:
- Constance Chabot-Jahn
- Bühnenbildassistenz:
- Manuela Weilguni
- Kostümbildassistenz:
- Johanna Rehm
Premiere am
Kleines Haus
»[…] Regisseur Alexander Nerlich lässt das Stück im Kopf des traumatisierten Mädchens spielen und findet dafür eindringliche, verstörende, alptraumhafte Bilder. […] Wolfgang Menardis Einheitsbühnenraum ist eine apokalyptische Sondermülldeponie, die wie Žana Bošnjaks schräge Endzeit-Kostüme viele Assoziationen zulässt und einen spannenden Spielplatz für das Ensemble schafft. Das zeigt sich hoch konzentriert und virtuos in der Darstellung. Mira Fajfer und Sarah Schulze-Tenberge bilden als Woden und Mimi das Zentrum der Inszenierung und verblüffen nicht nur in den elegant synchronen, sinnlichen Choreografien (Alice Gartenschläger) durch ihre hohe Präzision, sondern auch durch kompromissloses, intensives, bizarres Spiel, das stets die Rätselhaftigkeit ihrer Kind-Frau-Figuren wahrt. […] Klangkünstler Malte Preuß gibt dazu den Herzschlag vor, verstärkt die Dynamik des Spiels oder auch die Brüche, lässt es hart wummern, weht musikalische Echos aus einer anderen Zeit heran, setzt die Neuronen unter Störfeuer. Und Alexander Nerlich führt all das raffiniert zu einem hochkomplexen Kunstwerk zusammen. Dass der Regisseur ein Spezialist für abgründige Seelenstücke ist, hat er in Ingolstadt mehrfach (›Jenny Jannowitz‹, ›Dekalog‹, ›Asche‹) unter Beweis gestellt. Auch, dass er das Ensemble stets zu Höchstleistungen anspornt. Exzellent ist dieses Spiel voller Aberwitz und dunkler Poesie. Erschreckend und berührend. Dieser Krieg im Kopf lässt einen lange nicht los.«
»Bedrückend, aber ungemein stark und präzise hat Regisseur Alexander Nerlich Noah Haidles ›Skin Deep Song‹ im Kleinen Haus des Stadttheaters inszeniert« und dabei »präzise und feinnervig die fließenden Übergänge der Zeitebenen und Spielsituationen« definiert. »Zana Bosnjak hat wunderbare Fetzenkostüme aus Abendgarderobe-Versatzstücken und Müllhalden-Trash kombiniert.« Großen Anklang findet auch die schauspielerische Leistung der Darsteller: »Mira Fajfer und Sarah Schulze-Tenberge als die beiden Schwestern machen das großartig. Die Verzweiflung über den Verlust der Eltern, anfangs auch die Lust an neuen Spielvarianten des immer Gleichen, die Sehnsucht nach der heilen Familienwelt der Vergangenheit und das Gefangensein in der Zeitschleife ihres Traumas. […] Wenn Jan Gebauer als dementer Großvater, auch er in seiner Desorientiertheit ein Reisender in einer Zeitschleife, mit großer Sanftheit immer wieder nach der Bushaltestelle fragt, an der er seine längst verstorbene Frau zu treffen hofft, sich mit einer der Mädchen auf ein letztes Reise-Spiel begibt und das alte Lied ihrer Kindheit singt, eben jenen Skin Deep Song, ist gerade in dieser tröstlichen Ruhe der traurigste Moment des Abends gekommen.«