Die arabische Nacht
Roland Schimmelpfennig
Der Jugendclub II des Stadttheaters Ingolstadt hat in dieser Spielzeit mit dem Stück des Berliner Theaterautors Zoran Drvenkar eine seiner größeren Produktionen innerhalb der letzten Jahre umgesetzt. Insgesamt 17 Darsteller hat Spielclubleiter Sascha Römisch in seiner Inszenierung des Großstadt-Krimis auf die Bretter geschickt, die in diesem Fall die Straßen eines urbanen Brennpunkt-Viertels irgendwo in Deutschland bedeuten.
Erzählt wird die Geschichte zweier Jugendgangs, deren angespanntes Verhältnis zueinander nach einer Schießerei so sehr eskaliert, dass schließlich sogar ein Mord passiert. Mitten im Spannungsfeld der Machtkämpfe und Intrigen stehen zwei sehr unterschiedliche Jugendliche und die langsame Entwicklung ihrer ungewöhnlichen Freundschaft. Der sensible Locke lebt bei seiner realitätsentrückten Mutter, für die er mehr Sorge trägt als umgekehrt, Cengiz bei dem despotischen Vater, vor dessen Entgleisungen ihn nicht einmal die eigene Mutter schützen will. Zwei Jugendliche, deren Zuhause die Straße ist, mit all ihren eigenen Gesetzen, Ritualen und sozialen Strukturen.
Drvenkar, der von sich selber sagt, er schreibe nicht für »zu pädagogisierende Jugendliche« ist wohl gerade deswegen ein spannendes und sehr echtes Soziogramm gelungen, das angenehm wenig moralisierend, dafür aber temporeich, kraftvoll und doch auch sensibel die Entwicklung einer neu entstandenen Freundschaft zeigt.
Bitte beachten Sie, dass in der Inszenierung »Cengiz und Locke« Stroboskopeffekte zum Einsatz kommen.
Am Samstag, 6. Juli um 11:00 Uhr findet im Rahmen des Jungen Futurologischen Kongress eine weitere Vorstellung von »Cengiz und Locke statt. Kostenlose Einlasskarten erhalten Sie an der Theaterkasse.
mit: Sarah Schulze-Tenberge (Franziska), Sarah Horak (Fatima), Jan Beller (Kalill), Matthias Zajgier (Karpati), Richard Putzinger (Hausmeister)
- Regie:
- Marlene Anna Schäfer
- Ausstattung:
- Jan Hendrik Neidert, Lorena Díaz Stephens
- Klanginstallation:
- Olli Holland
- Dramaturgie:
- Gabriele Rebholz
- Regieassistenz:
- Andreas Binner, Alexandra Nack
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
- Theatervermittlung:
- Bernadette Wildegger
- Inspizienz:
- Annette Reisser
- Soufflage:
- Susanne Wimmer
- Kostümbildassistenz:
- Johanna Rehm
- Bühnenbildassistenz:
- Maike Häber
Premiere am
Großes Haus
»Die Regisseurin Marlene Anna Schäfer fürchtet sich nicht vor der rätselhaften Magie des Stücks […]. Sie schafft kein Kitschmärchen, keine Groteske und keine Lesung, sondern ein poetisches, wohltemperiertes Spiel. Sie lässt den Worten Raum zum Atmen, wie auch ihre Bühne ein luftiger, von Plastikplanen umschwebter Ort ist, der Drinnen und Draußen zugleich sein kann, Wüste und Cognacflasche. […] Die Schauspieler berichten nach vorn, ins Publikum hinein, von ihren persönlichen Strapazen dieser Nacht und sind doch von der Regie fein aufeinander abgestimmt. Sie berühren sich und berühren sich doch nicht. So kann sich Schimmelpfennigs unaufdringlicher Humor leicht entspinnen, ohne dass die Rätselhaftigkeit des Stücks verloren ginge. Ein Abend, so angenehm wie ein Teppichflug ohne Turbulenzen.«
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Positiv fällt die Kritik im Donaukurier aus: Das Stück ziehe den Zuschauer sofort in seinen Bann – »durch seine Sprachmacht, seine Poesie, seine ungewöhnliche Komposition, seine irrwitzige Fabulierkunst. […] Die einzelnen Monologe sind raffiniert ineinander montiert, verweben sich delikat mit einer Vielzahl von Echos zu Geschichten und münden in einen vielstimmigen Chor aus Furcht, Traum und Begehren. […] Mit großer Präzision fügt Regisseurin Marlene Schäfer die einzelnen Stimmen zu einem virtuosen Sprechkonzert zusammen, lässt sie anschwellen und wogen und flüsternd versiegen und entfaltet aus Alltäglichem eine eigenartige Magie. Mit Richard Putzinger, Sarah Horak, Sarah Schulze-Tenberge, Matthias Zajgier und Jan Beller steht ihr ein energiegeladenes Ensemble zur Verfügung, das seinen Figuren tragikomische Dimension zu verleihen weiß. […] Der Text verlangt ein feines Gespür für Tempo und Rhythmik, Vagheiten und Irritationen. Marlene Schäfer bringt das alles mit und choreografiert mit geradezu beschwingter Leichtigkeit. Zugleich evoziert sie wundersame Bilder – wenn der Mond aufgeht, die Sterne leuchten oder Sarah Schulze-Tenberges riesiger Schatten an der Wand tatsächlich an Scherenschnitte aus einem Märchenbuch erinnert. […] Wer sich auf diese fantastische Reise einlässt, wird sich hier bestens unterhalten.«
Gesamten Artikel lesen»Regisseurin Marlene Anna Schäfer hat den Redefluss der Figuren, die übereinander, aber nicht miteinander sprechen, klug strukturiert und die Parallelaktionen einfallsreich umgesetzt, ohne das Beschriebene visuell zu doppeln. Und so können aus der Diskrepanz des Gesagten und des Gezeigten durchaus auch komische Situationen entstehen.« Die herbe, technische Ästhetik der Ausstatter Lorena Diaz Stephens und Jan Hendrik Neidert lasse dem Zuschauer Spielraum für die eigene Bildphantasie.
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In der Rezension der Landshuter Zeitung, wird »Die arabische Nacht« als »dynamische[ ] Inszenierung« gelobt: »Dieses komplett unverwüstliche Stück kommt erst einmal mit einer sehr unkonventionellen Setzung daher, springt in einem anonymen Hochhaus von Person zu Person, von Ort zu Ort, von Stockwerk zu Stockwerk, bildet lose Beziehungslinien zwischen diesen Personen. Und rammt dann auch noch eine Traumebene in diese offene Handlung hinein, vermischt Reales und Surreales, bis zuletzt beides zusammen eine raffinierte, neue Logik ergibt. Dieser Logik verleiht Schäfer einen komödiantischen Anstrich […]. […] Richard Putzinger, Sarah Horak, Sarah Schulze-Tenberge, Jan Beller und Matthias Zajgier lassen ihre Körper wie Rätselfiguren hineinfallen in dieses Bühnenspielbrett, wechseln sich ab zwischen Stille und Geschwindigkeit, stellen Stille auch mal zusammen mit dem Publikum her, rattern und knattern dann wieder Text hinaus im Zeilenrekordakkord: Fünf Schauspieler schaffen 75 Minuten beeindruckende Textdynamik.«