Antigone
Sophokles
»So lasst den Fehl mich büßen ohn Erbitterung: Wenn aber diese fehlen, dann betreffe sie nicht Schlimmeres, als sie ungerecht an mir geübt.«
Es herrschen Recht und Gesetz in Theben. Zumindest ist das die Ansicht des neuen Machthabers Kreon. Ein Gesetz mag geltendes Recht sein – ob es gerecht ist, ist eine andere Frage. Diese stellt sich die junge Antigone beim Tod ihres geliebten Bruders Polyneikes. Nach dem tödlichen Kampf mit seinem Bruder Eteokles um den Thron, gilt er in Theben als Landesverräter. Um ein Exempel zu statuieren, verbietet König Kreon, Polyneikes zu beerdigen. Antigone jedoch entscheidet sich, das Gesetz zu brechen – mit schwerwiegenden Folgen. Sie bestattet ihren Bruder, wofür sie von Kreon zum Tode verurteilt wird. Noch bevor das Urteil vollstreckt werden kann, nimmt sich Antigone das Leben. Ihr Tod versetzt Theben in Aufruhr und wird nicht der einzige Suizid bleiben...Am Ende steht der Herrscher vor den Trümmern seiner Macht und seiner Existenz.
Auch nach über zwei Jahrtausenden sind die griechischen Tragödien in ihrem Kern brandaktuell. Sie stellen auf radikale Weise Fragen, die uns heute mehr denn je bewegen. Wo beginnt und endet die individuelle Freiheit? Was ist Gerechtigkeit, was Menschlichkeit? Wann ist es legitim, sich gegen geltende Gesetze aufzulehnen und sie zu brechen? Was darf der Staat? Für Sophokles gab es hier eindeutige Antworten, denn das göttliche Recht stand in der Antike unmissverständlich über dem menschlichen Gesetz. Doch wie lauten unsere Antworten heute? Regisseurin Kathrin Mädler sieht Antigone in einem sehr aktuellen Licht: »Antigone ist eine frühe Feministin, eine politische Kämpferin für etwas, das sie als Gerechtigkeit empfindet. Sie widerspricht dem weiblichen Rollenbild und tut es auch wieder nicht. Aus der typisch weiblichen Geste des Kümmerns – ´Ich muss meinen Bruder begraben‘ – wird ein politischer Akt. Und plötzlich steht diese Frau auf der Bühne der Politik, tritt der (männlichen) Macht entgegen und bezieht laut und deutlich Position – vielleicht sogar zu ihrer eigenen Überraschung. Sie betritt die öffentliche Sphäre, den männlichen Raum und ist – ganz unweiblich – bereit, sich unbeliebt zu machen. Und schließlich sogar für ihre Sache zu sterben. Vielleicht ist sie ja wirklich eine Fundamentalistin, eine Terroristin. Auf jeden Fall eine ungewöhnliche, mutige, absolut radikale Frau.«
mit: Sarah Horak (Antigone), Ingrid Cannonier (Chor), Ricarda Seifried (Ismene), Matthias Zajgier (Kreon), Jan Beller (Haimon), Ulrich Kielhorn (Teiresias), Felix Steinhardt (Wächter/Bote)
- Regie:
- Dr. Kathrin Mädler
- Ausstattung:
- Frank Albert
- Regieassistenz:
- Andreas Binner
- Dramaturgie:
- Dr. Judith Werner
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
- Inspizienz:
- Eleonore Schilha
- Soufflage:
- Susanne Wimmer
- Theatervermittlung:
- Bernadette Wildegger
Premiere am
Großes Haus
Kathrin Mädler zeige in ihrer Inszenierung, dass der Stoff von Sophokles´ Tragödie Antigone »zeitlos aktuell ist«. Auf der Bühne sei viel Raum für die Sprache, »die […] gut sprech- und hörbar wird – und von dem tadellos rezitierenden Ensemble nah an die Gegenwart gerückt wird.« In Sarah Horaks intensiver Darstellung erfahre das Gerechtigkeitsempfinden der Antigone eine wilde und zugleich zarte Prägnanz. »Eindrucksvoll zeigt Matthias Zajgier dieses Ringen ums Recht oder die totale Macht, die Härte aus Furcht vor dem Gesichtsverlust, die Züge von Paranoia annimmt, aber am Ende erst in einen Vater-Sohn-Konflikt, dann in Verzweiflung mündet. […] Felix Steinhardt verblüfft durch seine Gestaltungskraft der eigentlich undankbaren Wächter-/Botenrolle […]. Kathrin Mädler wählt eine einprägsame Theatersprache, setzt cineastischen Sound gegen die Stille und evoziert effektvolle Bilder – emotional, aber nie pathetisch. Und sie stellt drängende Fragen über die Gegenwart und die Gesellschaft: über Diktatur und Unterwerfung, Männer und Frauen, Rechte und Pflichten, Schweigen und Widerstand. Unbedingt sehenswert!«