Der Besuch der alten Dame
Friedrich Dürrenmatt
Eine tragische Komödie
Eine Stadt ist bankrott.
Doch plötzlich keimt Hoffnung auf. Ein prominenter Gast hat sich angekündigt: Claire Zachanassian. Sie ist milliardenschwer und als große Wohltäterin bekannt. Doch diese Stadt besucht sie nicht, um zu helfen. Sie will Rache. Tatsächlich stellt sie eine ungeheure Summe in Aussicht: 500 Millionen sollen in die Töpfe der Stadt fließen und 500 Millionen unter der Bevölkerung aufgeteilt werden. Unter einer Bedingung: Der Kaufmann Alfred soll sterben.
Dieser hatte die damals 17 Jährige vor Gericht verleumdet, die Vaterschaft ihres ungeborenen Kindes abgestritten und Claire aus der Stadt geekelt. Jetzt fordert sie Gerechtigkeit gegen Geld. Entrüstet weisen die Bürger das unmoralische Angebot zurück. Aber Claire Zachanassian hat Zeit. Schon fließen die Kredite, Werte und Prinzipien wanken und die Korrumpierbarkeit der Menschen lässt nicht lange auf sich warten.
Friedrich Dürrenmatt schrieb: »Die ›Alte Dame‹ ist ein böses Stück, doch gerade deshalb darf es nicht böse, sondern muss aufs humanste wiedergegeben werden, mit Trauer, (...) doch auch mit Humor, denn nichts schadet dieser Komödie, die tragisch endet, mehr als tierischer Ernst.«
Unsere Wetter-Hotline informiert Sie an den jeweiligen Vorstellungstagen ab 18:00 Uhr, ob die Aufführung stattfinden wird: 0841-30547299.
mit: Ingrid Cannonier (Claire Zachanassian), Matthias Zajgier (Ihr Gatte VII-IX/ Radiosprecher), Ralf Lichtenberg (Der Butler), Statisterie (Toby und Roby), Marc Simon Delfs (Pfändungsbeamter/ Koby/ Bahnhofsvorstand), Sascha Römisch (Alfred III), Teresa Trauth (Seine Frau), Sarah Horak (Seine Tochter (Ottilie)), Claudio Gatzke (Sein Sohn), Wolfgang Jaroschka (Bürgermeister), Jan Gebauer (Pfarrer), Olaf Danner (Lehrer), Mira Fajfer (Ärztin), Maik Rogge (Polizist), Richard Putzinger (Herr Hofbauer), Victoria Voss (Frau Helmesberger), Renate Knollmann (Zweite Frau/ Presse), Statisterie (Fräulein Luise), Statisterie (Loby)
- Regie:
- Ansgar Haag
- Ausstattung:
- Kerstin Jacobssen
- Dramaturgie:
- Donald Berkenhoff
- Regieassistenz:
- Andreas Binner
- Inspizienz:
- Eleonore Schilha
- Soufflage:
- Susanne Wimmer
- Musikalische Leitung, Komposition:
- Jakob Dinkelacker, Fabian Simon
- Tasteninstrumente, Gesang:
- Charlotte Brandi
- Kontrabass, E-Bass:
- Peter Christof
- Schlagwerk:
- Jakob Dinkelacker
- Gitarren:
- Fabian Simon
- Künstlerisch-technische Produktionsleitung:
- Manuela Weilguni
Premiere am
Freilichtbühne im Turm Baur
Regisseur Ansgar Haag besticht mit einer »bildstarken[n] und bisweilen sehr komische[n] Inszenierung, die vor allem mit hinreißend geführten Ensembleszenen zu gefallen weiß«. Hierzu nutzt er eine Version, die von ihm »behutsam gestrafft und modernisiert« wurde. Großen Beitrag zum Erfolg des Freilichtstücks leistet Ingrid Cannonier, die die Titelrolle »mit Verve und furchteinflößender Grandezza zu verkörpern weiß«. Sie zeige als »perfekte Besetzung für diese Rachegöttin« Claire Zachananssian »nicht nur als eiskalte Exzentrikerin, sondern äußerst vielschichtig«, sowie »erfrischend ehrlich – was für viele Lacher sorgt«. Ebenso lobt die Rezensentin Sascha Römisch für sein »anrührende[s] Spiel« in der Rolle Alfred Ills und das ganze Ensemble, »mit welcher Präzision, Konzentration und welch feinem Sinn fürs Komödiantische alle bei der Sache sind«. Denn: »Die Qualität dieser Inszenierung basiert auch auf den gelungenen Ensembleszenen«. Den Raum nutze der Regisseur »optimal – mit nur wenigen baulichen Zusatzelementen«. So heißt es weiter: »Trotzdem ist die Wirkung – vor allem im zweiten Teil – durch eine kluge Lichtregie (Siegfried Probst) enorm«. Ebenso begeistert die »formidable« Band mit einem »Mix aus ›High Noon‹ und Schicksalsmelodie, Jazz, Rock’n’Roll und Vogelgezwitscher«. So setze das Quartett aus Jakob Dinkelacker, Fabian Simon, Charlotte Brandi und Peter Christof »musikalische Ausrufezeichen, kommentiert das Geschehen auf höchst eigensinnige, subtile, geistreiche Weise«.
Das Theater eignet sich laut Rezensent »als Versuchsebene für soziale und moralische Grundsatzfragen recht gut«. Und dass »Dürrenmatts Meisterwerk ›Der Besuch der alten Dame‹ sich auch für das große Sommer-Freiluft-Theater eignet, beweist jetzt das Stadttheater Ingolstadt«. Regisseur Ansgar Haag gelinge ein »starke[r], unterhaltsame[r] Theaterabend, in dessen Mittelpunkt schlussendlich – neben einem harmonisch agierenden Ensemble – zwei Schauspieler stehen: Römisch und Cannonier. Wie diese mir großes Lässigkeit die Volksverführerin spielt und hinter aller Coolness ihr altes Sentiment durchschimmern lässt, wie jener erst arrogant, dann larmoyant agiert, schlussendlich aber zu sich und seiner Schuld steht – das allein zu betrachten, ist eine Freude«. Ausstatterin Kerstin Jacobssen hat eine »vielfach« nutzbare Bühne geschaffen, einen »Phantasieraum«, indem sie »den verarmten Ort Güllen (…) mit nur ein paar Straßenraum-Zitaten hingesetzt« hat. Besonders beeindruckt die Band, »die viel mehr bietet als Begleitung, sondern zusammen wirkt wie Filmmusik, mit punktgenau passendem Südstaaten-Americana-Folk-Rock, Geräuschen, Maultrommel-Suspense Sound«. So heißt es weiter anerkennend: »Diese extrem phantasiereiche Klang-Collage gibt dem Stück Rhythmus und Tiefenwirkung zugleich, und wenn die Spieler darüber ihre Stimmen legen, erweitert sich das Innere des Turm Baur zum Cinemascope-Format (…) Das ist dann nun wirklich großes Kino«. Damit lautet das Fazit: »›Wir sind das Volk‹, hieß die Überschrift über der ablaufenden Ingolstädter Spielzeit. Dieser Dürrenmatt setzt einen passenden Schlusspunkt«.
Mit »Der Besuch der alten Dame« bringe Ansgar Haag ein Stück auf die Bühne im Turm Baur, »bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleiben soll«. Und er böte »damit deutlich mehr (…) als ein reines sommerliches Amüsierstück«. Denn so heißt es weiter: »Sinn und Ernst des Stück bleiben gewahrt. Ja, das Makabre steigert sich (…) und wenn dann nach vollzogener arger Tat sich die Dorfgemeinschaft wie arglos wieder zerstreut, dann würde man die berühmte fallende Stecknadel hören, wenn nicht die Musik Crescendo-Suspense liefern würde. Starke Wirkung«. Ebenso überzeugten die Schauspieler. Sascha Römisch » steigert sich einen Abend lang«, Ingrid Cannonier »spielt Claire Zachanassian ansprechend ambivalent«. Demnach lautet das Fazit des Rezensenten: »ein lohnender Abend«.
Während die »Band unter der Leitung von Jakob Dinkelacker und Fabian Simon (…) Western-High-Noon-Stimmung« erzeugt, zeigt Ansgar Haags Freilichtinszenierung, wie die Bürger von Güllen bereit sind, »für ihren Wirtschaftsaufschwung und Wohlstand humane Überzeugungen über Bord zu werfen und sogar einen kollektiven Mord für das Gemeinwohl zu begehen – moralisch verbrämt als Wiedergutmachung für begangenes Unrecht«. Großes Lob gibt es für die »hochkarätige[n] Schauspieler des Ensembles« und Sascha Römisch: »Spannend an diesem Abend ist vor allem, wie sich an Sascha Römisch als Ill die schleichende Katastrophe ablesen lässt«.