Die lächerliche Finsternis
von Wolfram Lotz
Im Herzen des Lächerlichen. Hauptfeldwebel Pellner und Gefreiter Dorsch sind auf ihrem Patrouillenboot unterwegs, den Hindukusch hinauf, an den letzten Lagern der zivilisierten Welt vorbei, in das Herz des dichten afghanischen Regenwaldes. Ihr Auftrag ist es, den Deserteur Deutinger zu finden, der zwei Kameraden auf dem Gewissen haben soll, um die Koordinaten für einen gezielten Luftschlag weiter zu geben. Dabei stoßen sie auf ansässig gewordene Militärs und kommen sogar mit einem somalischen Piraten in Kontakt. Das Stück, ursprünglich als Hörspiel verfasst, wurde am Wiener Burgtheater uraufgeführt und war zum Berliner Theatertreffen 2015 eingeladen. Der Autor gibt den Text, der sich zitierend und anspielend um Conrads »Herz der Finsternis« und Coppolas »Apocalypse Now« assoziiert, frei für Erweiterungen in alle Richtungen. Durch Verschiebung der Sichtweisen und Wahrnehmungen des Weltgeschehens, des Krieges, des Schnitzens von Gurken und des Kapitalismus’, gibt Lotz diese Dinge ihrer absurden, grotesken Lächerlichkeit preis. »Alles läuft in diesem Text zusammen«, meint Regisseurin Caro Thum. »Eifrig gedeutet und immer noch unverständlich. Alles läuft in diesem Text auf eins hinaus, das eine Unbekannte: Den Menschen.« Gerade die ursprüngliche Form des Stückes als Hörspieltext, reizt Caro Thum. Sie möchte die sehr rau poetischen Sprachbilder durch Bildsprache und Handlung ergänzen, um sich durch den Dschungel vergangener und gegenwärtiger Konflikte zu kämpfen.
mit: Ralf Lichtenberg (Pellner, Deutinger), Jörn Kolpe (Stefan Dorsch), Enrico Spohn (Ultimo Michael Pussi, Lodetti, Bojan Stjkovic, Reverend Carter, Papagei, Wolfram Lotz, Tofdau)
- Regie:
- Caro Thum
- Ausstattung:
- Daina Kasperowitsch
- Musikalische Betreuung:
- Patrick Schimanski
- Dramaturgie:
- Paul Voigt
- Regieassistenz:
- Mona Sabaschus
- Souffleuse:
- Susanne Wimmer
- Inspizienz:
- Annette Reisser
Premiere am
Kleines Haus
Der Donaukurier war direkt vom Einstieg in Wolfram Lotz absurdes Theaterstück eingenommen: »Der grandiose Prolog eines ebenso grandiosen Enrico Spohn gibt einen Vorgeschmack darauf, was der Zuschauer (...) erwarten darf: ein maximale Verunsicherung, Umkehrung der Begriffe, Infragestellung der vermeintlichen Sicherheiten, mit denen wir auf die unübersichtliche Gegenwart blicken.«
Doch wie übersetzt man diese ursprünglich als Hörspiel angelegte, gewollte Konfusion des Publikums?
»Caro Thum (Regie) und Daina Kasperowitsch (Ausstattung) brauchen außer drei gut aufgelegten Schauspielern nicht viel, um die zunehmend ›ver-rückte‹ Welt dieser Reise im Kleinen Haus in Ingolstadt zu zeigen: (...) Mit den wenigen Mitteln gelingt es Regie wie Schauspielern aber beeindruckend, den Mechanismus des Stücks zu zeigen. Nur kleine
Verschiebungen der Perspektive, und die Welt sieht anders aus; (...)«
Das dies für den Donaukurier – auch noch auf unterhaltsame Weise – gelingt zeigt das Fazit: »Das finstere
Herz der Gegenwart ist nicht im Kongo, sondern überall. Um daran nicht zu verzweifeln, hilft nur Lachen. Das
weiß Caro Thum. Gerade weil alles so schlimm ist, gibt es viel zu lachen. Auch das machen sie und das kleine
Ensemble richtig.«
Die Neuburger Rundschau war von »Die lächerliche Finsternis 0171 nicht wirklich überzeugt, betont aber, dass dies »nicht an der Inszenierung, schon gar nicht an den Schauspielern, sondern am Stück [selbst liegt]«.
»In der Regie von Caro Thum leisten die drei Schauspieler vorzügliche Arbeit (...)«. Besonders hervorgehoben wird der beeindruckende »Anfang: Enrico Spohn legt in einem furios vorgetragenen 17-minütigen Monolog die Lebensbeichte eines jungen somalischen Piraten ab, der vor dem Landgericht Hamburg angeklagt ist.«
»Raffiniert spielt Wolfram Lotz mit Perspektivewechseln und absurden Kontexten, sodass sich die Figuren immer wieder selbst kommentieren, direkte und indirekte Rede amüsant gekoppelt sind. (...) Regisseurin Caro Thum steuert ihr hervorragendes Männertrio traumwandlerisch sicher durch die Untiefen des Lächerlichen. (...)
Für seinen virtuosen, atemlosen Eingangsmonolog, einer Verteidigungsrede vor einem deutschen Gericht, erhält Enrico Spohn Szenenapplaus. Und auch als Italo-Kommandant, Händler oder salbungsvoller Reverend balanciert Enrico Spohn glänzend zwischen Klischee-Parodie und Erzählung.
Ralf Lichtenberg ist der Hauptfeldwebel, der ohne menschliche Regungen seine Mission durchzieht, und er setzt die Brüche zu ironischen Selbstkommentaren präzise - mit Kicherreflex bei den Zuschauern.
Und wie anrührend-komisch Jörn Kolpe den gutmütig-naiven Soldaten spielt, der ziemlich hilflos eine menschliche Annäherung an seinen Feldwebel sucht, lässt dann doch eine große Portion menschlicher Wirklichkeit aufkommen.
›Lächerliche Finsternis‹ ist also eine Reise durch Absurdistan. Es macht großes Vergnügen, den drei Schauspielern dabei zuzusehen.«