Im weißen Rössl
Fassung »Bar jeder Vernunft« Singspiel in drei Akten frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg
von Hans Müller und Eric Charell, Gesangstexte Robert Gilbert, Musik von Ralph Benatzky, sechs musikalische Einlagen von Robert Gilbert, Bruno Granichstaedten und Robert Stolz
Geöffnet täglich von 10 – 23 Uhr. – Hochsaison im Hotel »Zum weißen Rössl« am Wolfgangsee. Die offene Sommerterrasse ist überfüllt, die Gäste sind unruhig, der Kellner versucht sie zu beruhigen. Inmitten dieses Chaos entsteht eine unglückliche Liebesgeschichte, der Kellner verliebt sich in die Chefin und singt »Es muss was wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden«. Doch die Chefin verfolgt andere Ziele, das Objekt ihrer Begierde ist ein Rechtsanwalt aus Berlin, dessen Ankunft erwartet wird. Und noch mehr Sommergäste aus Berlin stehen auf der Liste. Irren und Wirren nehmen ihren Lauf, der Kellner kündigt, und singt »Zuschaun kann I net«, und dann kündigt auch noch der Kaiser sein Kommen an. Und wie es sich für ein richtiges Singspiel gehört, findet jeder Topf den richtigen Deckel, den diversen Happy-Ends steht nichts mehr im Weg. Am Ende sagt der Kaiser »Es hat mich sehr gefreut.«
Als Vorlage für diese wohl populärste deutschsprachige Operette diente ein gleichnamiges Alt-Berliner Lustspiel. Versehen mit den unsterblichen Melodien, u.a. »Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür«, »Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein«, »Die ganze Welt ist himmelblau«, »Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist« und »Mein Liebeslied muss ein Walzer sein«, wurde das Rössl zum Welterfolg.
In den Wirtschaftswunderjahren der Bundesrepublik wurde das »Rössl« oft in verkitschten Arrangements aufgeführt. Inzwischen wird es vermehrt in der wiedergefundenen Originalkomposition aufgeführt. »Diese ist greller und jazziger als die Bearbeitung. Das Original ist gekennzeichnet durch eine Dramaturgie der Abwechslung, überraschenden Modulationen und abrupten Stilwechseln. In dieser Urform besitzt das weiße Rössl eine hörbare Nachbarschaft zur zwei Jahre zuvor uraufgeführten ›Dreigroschenoper‹-Musik Kurt Weills, ebenso wie eine Nähe zum gerade entstehenden Tonfilmschlager und den großen Berlin-Revuen der 1920er Jahre.«
mit: Antje Rietz (Josepha Vogelhuber), Richard Putzinger (Leopold), Jan Gebauer (Wilhelm Giesecke), Peter Reisser (Dr. Otto Siedler), Jörn Kolpe (Sigismund Sülzheimer), Olaf Danner (Prof. Dr. Hinzelmann), Stefanie von Poser (Ottilie), Joana Tscheinig (Klärchen), Sascha Römisch (Kaiser), Dominik Büttner (Piccolo), Teresa Trauth (Kathi), Katie Barritt (Bratsche), Jan Eschke (Klavier), Monika Fuhs (Cello), Tobias Hofmann (Schlagzeug), Blerim Hoxha (1. Geige), Ludwig Leininger (Kontrabass), Franziska Wilkesmann (2. Geige)
- Regie:
- Folke Braband
- Musikalische Leitung:
- Tobias Hofmann
- Ausstattung:
- Stephan Dietrich
- Choreografie:
- Dominik Büttner
- Dramaturgie:
- Donald Berkenhoff, Paul Voigt
- Regieassistenz:
- Rowena Haunsperger, Anna-Lena Henkel
- Soufflage:
- Susanne Wimmer
- Inspizienz:
- Annette Reisser
Premiere am
Großes Haus
»Vor gut 20 Jahren war das Stück aus den 30er Jahren, ein wenig aufgefrischt und neu aufbearbeitet, ein Knüller der Berliner Theaterszene. Die ›Bar der Vernunft‹ in Charlottenburg zeigte ›Im weißen Rössl am Wolfgangsee‹, unter anderem mit Meret Becker, Otto Sander, Max Raabe und den Geschwistern Pfister. Ovationen, Sensationen. Das passte auch so gut in diese Stadt, die sich vor plötzlich aus dem Süden kommenden Zuzüglern kaum mehr retten konnte, dieses stark ironisch angehauchte Singspiel, das auf den Clash der innerdeutschsprachigen Kulturen baut. Die Berliner Wilhelm (Vater) und Ottilie (Tochter) Giesecke, Dr. Otto Siedler und Sigismund Sülzheimer treffen auf die österreichische Wirtin Josepha Vogelhuber und ihren schwerst in sie verknallten Kellner Leopold, garniert vom sparsamen Schwaben Prof. Dr. Hinzelmann mit Tochter Klärchen.
Jetzt kann man am Theater Ingolstadt diese Wiederentdeckung wiederentdecken. In einer fulminanten, vom Publikum stantepede gefeierten und ins Herz geschlossenen Aufführung des ›weißen Rössls‹ in der Version der ›Bar der Vernunft‹ erleben der Clash der Kulturen und das landmannschaftliche Grenzen überwindende Zueinander der Herzen fröhliche Urständ. Inmitten einer Szenerie aus riesigen, kitschigen, leuchtenden Ansichtspostkarten (Ausstattung: Stephan Dietrich) entspinnt sich unter der präzisen Regie des ebenso Berlin- wie Ingolstadt-erfahrenen Folke Braband ein wundervoll-witziger musikalischer Abend, der mit allen möglichen Klischees aufräumt, indem er sich ihrer bedient.
Erstaunlich, was das Ingolstädter Ensemble alles draufhat. Es wird gesungen (musikalische Leitung: Tobias Hofmann), getanzt (Choreografie: Dominik Büttner), gespielt – und dies alles mit schwungvoller Leichtigkeit. Unterstützt von einem kleinen Orchester, einem Statistenchor sowie Antje Rietz als Rössl-Wirtin und Büttner als Piccolo, walzert das Sprechtheater-Haus mal wieder ins Reich des Musicals, konsequent im 30er-Jahre-Stil, wobei auch das als ironische Haltung durchgeht. Ebenso wie die Bewegungsabläufe und Choreografien alles Altbekannte durch eine leichte, kecke und kokette Überdeutlichkeit schon wieder süß und schnucklig machen.
Bis in die kleineren Rollen ist ›das weiße Rössl‹ in Ingolstadt fein ziseliert. Wunderbar beispielsweise Sascha Römisch als österreichisch-ungarischer Kaiser voll Melancholie, dessen Grandezza allmählich mit der Postkartenidylle verschmilzt. Jan Gebauer ist ein sympathisch knurriger Geschäftsmann Giesecke, Antje Rietz eine fesche, stimmgewaltige Wirtin, Richard Putzinger ein höchst eleganter Leopold; kaum einer kann so elegant Treppen hinauf- und hinunterschweben wie er. Es geht – natürlich – erstrangig um Liebe, Siedler (Peter Reisser) bekommt Ottilie (Stefanie von Poser), der schöne Sigismund (Stefan Leonhardsberger) das Klärchen (Denise Matthey), beide Paare haben herzschmelzende Duette. Und Berliner geschäftliche Zwiste, in deren Mittelpunkt ebenfalls Giesecke und Siedler stehen, lösen sich vor lauter Liebe in Wohlgefallen auf. Willkommen in der Unwirklichkeit.«
»Nach jeder Nummer Szenenapplaus, langanhaltender Jubel und Standing Ovations nach der Premiere am Samstag. ›Das weiße Rössl‹ dürfte der neue Publikumsrenner im Stadttheater Ingolstadt werden. Es geht in dieser Operette zwar auch um Eifersucht, um Abschied für immer oder Eheglück, einen Prozess um ein Firmenplagiat und um zwei junge Menschen mit einem kleinen Handicap. Sie lispelt, er hat eine Glatze. Aber die Liebesverwirrungen um die Sommerfrischler aus Berlin und die Anflüge von Liebesschmerz um die verwitwete Rössl-Wirtin und ihren Zahlkellner Leopold können das harmlose Vergnügen am nostalgischen Urlaubsfeeling im k.und k. Salzkammergut und den Ohrwürmern von Ralph Benatzky nicht trüben. Wenn man die Operette „Das Weiße Rössl“ auf den Spielplan setzt, will man den Zuschauern unproblematisches Amüsement gönnen. Wer sich darüber mokiert, muss es nicht spielen. Das bedeutet aber nicht, dass man dem breit ausgetratschten Gefühlskitsch und der Walzerseligkeit des österreichischen Heimatfilms von 1960 nacheifern muss. Regisseur Folke Braband hat die Herausforderung angenommen und einen präzisen Weg gefunden, Witz statt Kitsch einzusetzen, Klischees und Showelemente als operettige Augenweide zu zitieren und sie mit Ironie und Selbstironie der Figuren zu brechen und vor allem konsequent jede Sentimentalität zu unterlaufen. Musikalische Voraussetzung dafür ist die vom späteren Orchesterschwulst befreite Fassung der Berliner ›Bar jeder Vernunft‹, die sich dem Original aus den 20er Jahren mit ihren jazzigen Elementen und ihrem musikalischen Stilmix annähert. Der musikalische Leiter Tobias Hofmann sitzt mit seinen 6 Mitmusikern als Wirtshausgäste auf der Seeterrasse und bringt delikaten Swing und fetzigen Drive selbst in die 3/4-Takt-Schnulzen. Und ein extra Lob gebührt auch dem kleinen, aber sehr feinen Chor Ingolstädter Sängerinnen und Sänger, die auch als Sommerfrischler-Statisten professionell agieren. Das Bühnenbild von Stephan Dietrich zitiert die blaustichige Salzkammergut-Postkartenidylle von anno dazumal, als das ›Weiße Rössl‹ noch eine simple Pension war. Bei den Kostümen aber greift der Ausstatter in die volle Opulenz bourgeoisen und alpenländischen Modeschicks der vorletzten Jahrhundertwende und bedient damit optisch den Revue-Charakter der Aufführung. Man kann die Klischees vom Piefke in Lederhosen und der Alpenfolklore, die erotischen Abenteuer im Urlaubs-Ausnahmezustand, die Verkuppelungsintrigen aus Geschäftsinteressen und die frivolen Doppeldeutigkeiten im Text sicher noch deftiger als kabarettistische Gaudi vorführen. Regisseur Folke Braband bleibt jedoch immer charmant und geschmackvoll. Aufgedreht wird aber durchaus, partiell und wohlgesetzt, in effektvollen Bildern und choreographischen Showelementen. Genau den stilistischen Kick aus überdrehtem Showkalkül und der Parodie der Revue treffen auch die exzellenten Choreographien von Dominik Büttner, der auch als Darsteller und Sänger des Piccolo-Kellners eine pfiffige und quirlige Figur macht. Was vor allem an diesem Abend Begeisterung auslöst, ist das hervorragende Ingolstädter Ensemble, aus dem tänzerischer Pfiff und schauspielerische Feinheiten herausgekitzelt sind. Als Rezept gegen Sentimentalität zieht sich ein augenzwinkerndes ›Schaut her, wie toll ich singen und tanzen kann‹, ein Riesenspaß an ausgefeiltem Körpereinsatz als Grundhaltung der Figuren durch die Aufführung. Peter Reisser, der elegante Dr. Siedler mit lässigem Fahrrad-Auftritt, macht diesen selbstironischen Tock zuviel exemplarisch bei seiner tenoralen Schnulze ›Die ganze Welt ist himmelblau‹ vor. Und eine Rössl-Wirtin, die so charmant und resolut auftritt und auch noch Jodeln und Tubablasen kann, ist wirklich eine Attraktion, die verständlicherweise die Männerherzen verwirrt. Antje Rietz wird auch nächste Spielzeit, in de Babypause von Renate Knollmann, die Position der Schauspielerin mit Gesangsausbildung - sicher hervorragend - ausfüllen. Der Auftritt von Stefan Leonhardsberger als Fabrikantensöhnchen Sigismund ist eine Wucht. Mit den Sprüngen eines Danseur noble erobert er die Bühne, und seine körperliche Agilität vermittelt genau diesen Spaß an der kleinen Übertreibung, die Stilmittel dieser Inszenierung ist. Denise Matthey macht aus dem schüchternen Klärchen ein hinreißend reizvoll mit ihrer Schüchternheit kokettierendes Mädchen. Richard Putzinger als unsterblich in seine Chefin verliebter Zahlkellner Leopold macht alle Facetten auf, um diese Figur gegen das Gefühls des unglücklich verliebten Jammerlappens zu bürsten. Auf einen fulminanten Showauftritt folgt ein verlegenes Nuscheln wie bei Hans Moser, kraftvoll elegant nutzt er die wenigen Treppenstufen zu tänzerischen Einlagen, in seinem Schmachtfetzen-Song ›Zuschaun kann i net‹ kocht hörbar die Wut, und der letzte hohe Ton wird zur Sängerparodie im zittrigen Falsett. Und als echter Österreicher spielt er natürlich auch souverän mit den Austriazismen im Text. Zu der schönen Typenkomödie tragen außerdem bei der köstlich schwäbelnde Professor von Olaf Danner, Jan Gebauers treuherzig nörgelnder Berliner Trikotagen-Fabrikant, der beim Mücken-Erschlagen unwillkürlich ins Schuhplatteln kommt und Stefanie von Poser als seine damenhaft selbstbewusste Tochter . Und eine ziemlich irre Figur ist Teresa Trauth als Kathi von der St-Wolfgang Post mit Berliner Schnauze, als Feldwebelhaftes Jugendgruppenmädel mit Fahne oder Volksmusiksängerin an der Quetschn: ein immer wieder überraschender Joker in abstrusen Verwandlungen. Und riesiges Vergnügen bereitet auch der Auftritt von Sascha Römisch als Kaiser Franz Joseph. Ein rührender alter Mann, den alle nur allzu leicht übersehen, was ihm nur Recht wäre, mit steifem Hals und verlangsamtem Blick ein seniler Trottel in Kaiseruniform. Nein, ein melancholischer alter Mann, der sich nur senil stellt, um seine Ruhe zu haben, wie wir sehen, wenn er beherzt einen Felsen verrückt, um sich in eleganter Anmachpose der Rössl-Wirtin zuzuwenden. Und selbst beim Applaus ist dieser Kaiser noch für eine Überraschung gut. Nach dieser Aufführung des ›Weißen Rössl‹ kann man nur mit Kaiser Franz Joseph sagen: ›Es war sehr schön. Es hat mich sehr gefreut‹.«
»Immer wieder erstaunt das Ensemble im Schauspielhaus an der Donau nicht nur durch darstellerische Qualität, sondern auch durch musikalisches Talent. Nun aber zeigt es sich geradezu in Höchstform, wirkt atemberaubend, bietet Unterhaltung vom Feinsten.«