Heute Abend: Lola Blau
Ein Musical für eine Schauspielerin von Georg Kreisler
1938: Die junge jüdische Schauspielerin Lola Blau fiebert ihrem ersten Engagement am Landestheater Linz entgegen. Sie brennt darauf, auf der Bühne zu stehen, zu singen und zu tanzen und blendet dabei die politischen Verhältnisse der Zeit völlig aus. Recht bald jedoch bekommt sie diese am eigenen Leibe zu spüren. Ihre Hauswirtin setzt sie vor die Tür, ihr Engagement platzt und so reist sie in die Schweiz, wo sie sich als Cabaret-Sängerin über Wasser hält. Immer stärker bemächtigt sich ihrer das Gefühl, nirgends zu Hause und stets »anders« zu sein als die Übrigen… beziehungsweise als »anders« angesehen zu werden. Sie wird aus der Schweiz ausgewiesen, emigriert in die USA und steigt dort zum gefeierten Star und Sex-Idol auf, doch das ungute Gefühl bleibt. Nach Kriegsende kehrt sie voller Hoffnung in ihre alte Heimatstadt Wien zurück und muss erkennen, dass sich wenig geändert hat.
»›Lola Blau‹ ist im Grunde die Geschichte einer Ohnmacht. Lola steht dem Antisemitismus ebenso ratlos ohnmächtig gegenüber wie dem eigenen Judentum. Sie ist ohnmächtig gegen die sturen Schweizer, wütet ohnmächtig gegen die Sex-Karriere in Amerika, und am Schluss ist sie wieder ohnmächtig gegen die österreichischen Ewig-Gestrigen.« (Georg Kreisler)
Georg Kreisler (*1922 in Wien/† 2011 in Salzburg), der legendäre Komponist, Kabarettist, Pianist und Sänger, vollzieht mit »Lola Blau« gewissermaßen seinen eigenen Lebensweg nach.
Auch er emigrierte als Jude während der Naziherrschaft mit seiner Familie in die USA, trat dort unter anderem als Unterhalter in Nachtclubs auf und musste bei seiner Rückkehr nach Wien im Jahre 1955 erleben, wie seine Lieder nicht zuletzt wegen ihrer beißenden Gesellschaftskritik und ihres schwarzen Humors großen Anfeindungen ausgesetzt waren und zeitweise sogar nicht einmal im Österreichischen Rundfunk gesendet werden durften… weil sie zu sehr trafen.
Wie immer beherrschen Kreislers Lieder auch in »Lola Blau« alle Tonarten: Mal frech und bissig, mal romantisch und voller Poesie schaffen sie es, mit größter Leichtigkeit Inhalte auf die Bühne zu bringen, die nicht wenige verstummen lassen.
mit: Renate Knollmann (Lola), Manuel Jadue (Georg – Klavier, Akkordeon sowie: Frau Fini, Herr Berger, Herr Schmidt etc.)
- Regie:
- Katrin Herchenröther
- Ausstattung:
- Susanne Hiller
- Dramaturgie:
- Annabelle Köhler
- Regieassistenz:
- Nele Matthies
- Inspizienz:
- Heidi Groß
Premiere am
Studio im Herzogskasten
»Der Chansonabend wird zusammengehalten durch die Lebensgeschichte der jüdischen Wiener Schauspielerin Lola Blau, in der sich Georg Kreislers eigene Migration in die Vereinigten Staaten, sein Frust über die oberflächliche amerikanische Unterhaltungsbranche und seine Skepsis gegenüber einem Nachkriegs-Österreich spiegelt, in dem Antisemitismus und braunes Gedankengut nicht plötzlich ausgestorben sind. Dies findet Niederschlag in seinen sarkastisch-bitteren Liedern, manchmal verpackt in die süß vertrauten Kulturgut-Melodien von Mozart, Johann Strauß oder Franz Lehar.
Für ›Heute Abend: Lola Blau‹ hat Ausstatterin Susanne Hiller das Studio im Herzogskasten in eine Kontaktkneipe der Entstehungszeit des One-Woman-Musicals der frühen 1970er Jahre verwandelt. Telefone und Tischlampen mit schummrigem Licht, kunterbunt zusammengewürfelte Plastikschalen-Stühle. Und einige Zuschauertische stehen auch auf der Bühne.
In dieser etwas morbiden Tingeltangel-Kneipe bewegt sich Sängerin und Schauspielerin Renate Knollmann zwischen Tischen und Bühne und präsentiert die Chansons von Georg Kreisler und die kurzen Zwischentexte, die die typisch österreichische Lebensstationen einer jüdischen Schauspielerin ihrer Generation skizzieren. Dabei springt ihr der famose Schauspieler und Pianist Manuel Jadue mit kabarettistisch angelegten Nebenrollen zur Seite.
[…]
Renate Knollmann erspielt mühelos und mit lässigen Entertainerqualitäten alle Gefühlsstationen dieses Lebens und ist eine fantastische Sängerin, die mit ihrer Stimme wie eine Soubrette zwitschern, aber auch die rauchig-kehlige Power einer Diseuse transportieren kann. Und sie verkörpert eine toughe Entertainerin, die sich durch die Nackenschläge ihrer Biografie nicht wirklich unterkriegen lässt.
Regisseurin Katrin Herchenröther akzentuiert diese Lebensgeschichte mit dokumentarischen Bildern in einem antiquierten Fernsehgerät vom Einmarsch in Österreich, von einem alten Zug mit Dampflok, von Fliegern mit Sirenengeheul, von einem Schiff in stürmischer See bei Lola Blaus Überfahrt nach Amerika. Ein darstellerischer Leckerbissen ist, wie Lola Blau auf dem Schiff kotzübel wird und sie sich dennoch dazu durchringt, auch der 2. Klasse ihre Show zu bieten. Ein komödiantischer Einfall, der zeigt, dass die traurige Lebensgeschichte der Lola Blau keineswegs sentimental ausgekostet wird.
Ein Triumph für Renate Knollmann und ein bitter-süßer Chansonabend!«
»Im kleinen »Studio im Herzogskasten«, das von Ausstatterin Susanne Hiller nahezu perfekt in einen intimen Nachtclub umgebaut worden war, rote Lämpchen und Tischtelefon-Attrappen inklusive, hatte das Stück nun umjubelte neue Premiere in Ingolstadt.
(…) Der Applaus am Freitagabend galt natürlich in erster Linie Renate Knollmann, aber auch Manuel Jadue als sie begleitender Pianist und Akkordeonspieler, der zudem mit signifikanten Mini-Auftritten in die Handlung eingreift. In erster Linie aber ist ›Heute Abend: Lola Blau‹ natürlich eine ›One-Woman-Show‹. Und was für eine. Renate Knollmann, seit 2008 in Ingolstadt engagiert, darf darin die unterschiedlichsten Facetten der Protagonistin beleuchten, die 1938 auf ein Engagement in Linz -und auf ihren geliebten Leo wartet und von dort über Basel nach Amerika auswandert. Hier macht sie in Nachtclubs eine kleinere Karriere, kehrt aber nach Kriegsende wieder nach Wien zurück, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Leo, der während der Nazi-Diktatur im KZ eingesperrt war.
›Im Theater ist was los!‹- so lautet der Titel des Auftrittslieds von ›Heute Abend: Lola Blau‹. Treffender kann man auch den ganzen Abend nicht überschreiben. Und dies vor allem dank der großartigen Renate Knollmann.«
»Lola Blau ist Jüdin, aber auch Künstlerin, die nichts anderes möchte als auf Theaterbühnen zu singen und zu tanzen. Diese Leidenschaft vermittelt Renate Knollmann in ihrem Schauspiel mit Leichtigkeit. Ihre Bühne ist der Zuschauerraum, ihre tiefe Chansonstimme füllt das Gewölbe im Herzogskasten aus. Mit ihren großen Augen blickt sie jeden Zuschauer keck an, schafft unmittelbare Nähe.
1938, kurz vor ihrem ersten Auftritt am Landestheater Linz, flieht Lola vor dem Nazi-Terror in die Schweiz. Als Nachtclub-Sängerin schlägt sie sich eine Weile durch, doch ihr droht die ›Ausschaffung‹. ›Ab ans Klavier‹, ruft Lola ihrem Begleiter zu und grinst. Ob das in Georg Kreislers Text steht oder pure Spontanität der Schauspielerin ist, bleibt offen. Egal, das Spiel ist köstlich und das Publikum lacht. Manuel Jadue begleitet Renate Knollmann an Klavier und Akkordeon, schlüpft in die Rolle des Herrn Schmidts, des Conférenciers oder eines quietschenden Zuges.
(…) Renate Knollmann meistert die schwierigsten Reimereien und trifft den richtigen Ton der mal humorvollen mal bös-ironischen Couplets. (…) Irgendwo im Zuschauerraum klingelt ein Drehtelefon. Das dezente Bühnen- und Kostümbild von Susanne Hiller ermöglicht es dem Publikum, in die 50er Jahre einzutauchen und Teil des Schauspiels zu sein. (…)
Georg Kreislers (1922-2011) Komödie ist urkomisch und tragisch zugleich. Er hat sein eigenes Schicksal mit dem der Schauspielerin verwoben: Die schockartige Entwurzelung durch die Flucht, die ewige Heimatlosigkeit und schließlich der Erfolg im kritisch-politischen Kabarett. Das ›Musical für eine Schauspielerin‹ wurde 1971 in Wien uraufgeführt und feiert jetzt seine Premiere in Ingolstadt – mit donnerndem Applaus.«