Das war ich nicht
Stück nach dem Roman von Kristof Magnusson
Vor und während der Finanzkrise. – Jasper hat die Karriere gemacht, die er sich für die Zeit zwischen 30 und 40 vorgenommen hatte. Bei einer großen Investmentbank in Chicago hat er es vom Back Office in den Händlersaal geschafft. Nun muss er beweisen, dass er der tolle Hecht ist, für den er sich selbst hält. Ab sofort gibt es kein Privatleben mehr!
Meike ist Übersetzerin. Sie hat einen Erfolgsautor geerbt, Henry LaMarck. Sie wartet auf sein neues Werk, den großen Roman über 9/11. Aber der Roman ist noch nicht mal in Amerika erschienen. Um zu erfahren, was passiert ist, macht sie sich auf den Weg in die Staaten. Er lebt natürlich in Chicago.
Henry LaMarck ist ausgebrannt. Der Satz über seinen Roman war nur so dahingesagt. Aber er entfaltet eine Eigendynamik. Auf den Roman über 9/11 wartet Amerika. Und er wird schon für den Pulitzerpreis vorgeschlagen. Henry hat sich in das Bild eines fassungslosen jungen Bankers verliebt, der auf die fallenden Kurse starrt. Dieser Banker ist Jasper.
Jasper hat Meike in einem Café getroffen und sich in sie verliebt. Er will ihr imponieren und verwickelt sich in immer riskantere Geschäfte, die schließlich seine Existenz gefährden. Da begegnet er Henry, der ihn mit dem Zeitungsfoto in der Hand gesucht hat…
»Das war ich nicht« erzählt von diesen drei Menschen, deren Leben sich durch Zufälle ineinander verstricken. Und davon, wie die Wirtschaftskrise beginnt.
mit: Victoria Voss (Meike Urbanski), Richard Putzinger (Jasper Lüdemann), Nik Neureiter (Henry LaMarck)
- Regie:
- Jens Poth
- Ausstattung:
- Nora Johanna Gromer
- Dramaturgie:
- Annabelle Köhler
- Regieassistenz:
- Katalin Naszály
- Inspizienz:
- Heidi Groß
- Soufflage:
- Constance Chabot-Jahn
Premiere am
Kleines Haus
»Mit Kettcars kurven die drei so lustvoll wie Kinder im Märchenland hintereinander her und ihre Lebensstraßen entlang und parken die drei Gefährte dann ordentlich rückwärts in die nebeneinander aufgezeichnete Parkbuchten ein. Bonnie und Clyde und ein verliebter schwuler Schriftsteller auf der Flucht – weniger vor der Polizei, als vor den eigenen Lebensdesastern.
Es ist ein wunderbarer Einfall von Regisseur Jens Poth und seiner Bühnenbildnerin Nora Johanna Gromer, die Wege und Irrwege dieser drei Menschen aus Kristof Magnussons Roman ›Das war ich nicht‹ auf einer Spielwiese zu inszenieren. Aus Wasserkästen bauen sie sich Karriereleiter, Bar-Tresen, Palme, Hotelrezeption oder Klosterwohnung. Und die drei Darsteller Victoria Voss, Richard Putzinger und Nik Neureiter setzen diesen spielerischen Umgang mit den existenziellen Nöten der Figuren erfrischend pointenreich um.
Dabei steckt das Trio eigentlich in einer Lebenskrise und die Welt in der Finanzkrise. Der deutsche Banker Jasper hat bei einer amerikanischen Investmentbank in Chicago eine steile Karriere hingelegt. Doch er erliegt der Verlockung, Verluste durch weitere Spekulationen auszugleichen. Und während er noch begeistert das Prinzip erklärt, sogar mit fallenden Kursen Gewinn zu machen, verzockt er sich um ein paar hundert Millionen.
Der gerade 60 gewordene amerikanische Erfolgs-Schriftsteller Henry LaMarck hat unvorsichtigerweise verkündet, er werde den Jahrhundertroman über 9/11 schreiben. Ein zweiter Pulitzerpreis scheint ihm sicher. Doch er hat noch keine Zeile geschrieben, was seine deutsche Übersetzerin Meike in Panik versetzt. Wovon soll sie leben, die erste Rate ihres Bauernhauses bezahlen, wenn das Manuskript nicht kommt? So macht sie sich auf den Weg nach Chicago. Doch noch bevor sie den Schriftsteller endlich findet, lernt sie in einem Café den Banker Jasper kennen, der wiederum von dem Schriftsteller gesucht wird. Ein Foto des traurigen Bankers vor fallenden Aktienkursen in einer Zeitung verspricht dem Autor Inspiration für seinen Roman. Aber wahrscheinlich hat er sich einfach nur in den hübschen Business-Boy verliebt, der sich wiederum in Meike verliebt hat.
Auf der Flucht vor ihren geplatzten Lebensträumen landen alle drei in Deutschland.
Ein glückliches Paar und ein eher unglücklicher Schriftsteller. Und dennoch eine Dreiecksgeschichte mit märchenhaftem Happyend. Denn sie können das Gewicht ihrer Work-life-Balance auf das Leben legen. Es sind ihnen immerhin 9 Millionen Dollar geblieben, die der Zocker dem Schriftsteller überraschenderweise gerettet hat.
Kein schlechtes Startkapital für den Lebensabend einer menage à trois.
Denn dass die Liebe doch kein Auslaufmodell des 21. Jahrhunderts ist, bleibt als romantische Hoffnung der krisengeschüttelten Biografien.
Ist ›Das war ich nicht‹ ein Theaterstück zur Finanzkrise und wie sie die Menschen beutelt? Ja. Auch. Aber eher als Farce. Und das ist wohl auch die richtige Form, um dem realen Irrsinn gerecht zu werden.
Geschickt und spielerisch setzt Regisseur Jens Poth das leicht absurde Verfolgungsjagd-Tempo theatralisch um, indem die Figuren ständig auf ihrem Playground in Bewegung sind. Da werden Telefonklingeln und andere Geräusche von den Darstellern imitiert, wechselnde Rollen schnell mit Perückenwechseln improvisiert, ohne dass es in Klamauk ausartet. Man kann die Abstürze und Hoffnungen dieser drei Menschen durchaus nachfühlen und gleichzeitig über sie schmunzeln. Der Wechsel aus Dialogen und epischem Text macht trockene selbstironische Kommentare möglich. Und das wird von den drei hinreißenden Darstellern in bester Billy-Wilder-Manier minutiös ausgekostet, ohne die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben.
Victoria Voss ist überraschend komisch, wenn sie mit der Ernsthaftigkeit eines kleinen Mädchens für die Begegnung mit dem Schriftsteller übt, sie haut resolut auf einen Hackklotz, wenn sie von dem Pärchenleben erzählt, dem sie in die Abhängigkeit von einem Schriftsteller mit Altersdepression entflohen ist.
Nik Neureiter ist durchaus erbarmungswürdig in seiner Schreibkrise und unglücklichen Verliebtheit, kann aber sein Selbstmitleid und seine missglückenden Annäherungsversuche an den Dreamboy wunderbar sarkastisch selbst kommentieren.
Und Richard Putzinger, der sich als Zocker im Rock n'Roll-Rausch fühlt, fiebert mindestens so verzweifelt Maike wie den Börsenkursen entgegen.
Mit ›Männerhort‹, ebenfalls im Stadttheater Ingolstadt zu sehen, hat Magnusson eine eher seichte Komödie vorgelegt. ›Das war ich nicht‹ aber ist, zumal in dieser hinreißenden Aufführung, eine kurzweilige Gesellschaftssatire im Unterhaltungsformat.«
»Die ganze globale Finanzwelt nur ein großer Kinderspielplatz, Tretautos und Mini-Straßenparcours inklusive? Zum Austoben für Risiken liebende, infantil gebliebene Zocker-Banker, bar jeglichen Verantwortungsbewusstseins? Dieses Szenario (ideenreiche Bühnenausstattung: Nora Johanna Gromer, Dramaturgie: Annabelle Köhler) jedenfalls entwerfen Vorlagenverfasser Kristof Magnusson und Regisseur Jens Poth in dem Drei-Personen-Stück ›Das war ich nicht‹, das im Kleinen Haus des Stadttheaters Premiere hatte.
Bereits im vergangenen November, bei ›Männerhort‹, seither einer der Publikumsrenner in Ingolstadt, hatte der jetzt 37-jährige isländisch-deutsche Theater- und Romanautor Kristof Magnusson bewiesen, dass er einerseits Sinn für komödiantische Zuspitzungen und für das Setzen von überraschenden Pointen besitzt. Und andererseits – beinahe noch wichtiger – auch über einen entlarvend genauen Blick auf aktuelle gesellschaftliche Auswüchse verfügt. So auch jetzt wieder bei ›Das war ich nicht‹, ein Stück, das auf einem 2010 erschienenen 290-Seiten-Roman basiert und noch im selben Jahr von Ronny Jakubaschk in eine Bühnenfassung gebracht und anschließend in Basel uraufgeführt wurde.
Erzählt in einer langen, abwechselnd in Schleswig-Holstein und in den Vereinigten Staaten spielenden Rückblende, geht es in dem kurzweiligen Stück um einen jungen deutschstämmigen Investmentbanker, einen unter Schreibblockade leidenden US-Erfolgsschriftsteller und eine ehrgeizige Buchübersetzerin, deren Wege sich in Chicago kreuzen. Die Leben dieser drei Menschen verbinden sich im Roman wie auf der Bühne ebenso rasant wie vergnüglich. Dass dabei mitunter auch kräftig Klischees bedient werden und Regisseur Jens Poth gelegentlich Stil-Unsicherheiten erkennen lässt, mindert den hintergründigen Spaß am Zusehen nur unwesentlich. Für den nämlich sorgt bestens das glänzend agierende Darsteller-Trio mit Victoria Voss, Nik Neureiter und Richard Putzinger. Dafür gab es am Schluss, nach temporeichen 90 Minuten Spielzeit, viel Beifall.«