07.11.2022: Knapp 650 namhafte Autor*innen, Musiker*innen, Schauspieler*innen und andere im Kulturbetrieb Aktive haben sich mit einem offenen Brief zu den Protesten im Iran geäußert, darunter Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Schriftstellerin Fatma Aydemir, Schauspielerin Iris Berben, Regisseurin Julia von Heinz, Autor Josef Winkler oder auch die Bildungsstätte Anne Frank. Der Brief wird online und in mehreren Medien veröffentlicht.
Ungewöhnlich dabei: Der Brief richtet sich wie bei ähnlichen Formaten üblich nicht an die Bundesregierung oder internationale politische Institutionen, sondern an die Protestierenden selbst. »Diese Bewegung geht von den Menschen aus, dezentral und feministisch. Deshalb war es uns wichtig, uns direkt an sie zu richten. Ihnen gilt die Solidarität, weil sie nichts haben als ihre Körper und ihre Stimmen. Das Islamische Regime drosselt das Internet und zeigt, dass es auch vor massiver Gewalt gegen die Zivilbevölkerung nicht zurückschreckt. Vor 43 Jahren kamen die Menschen im Iran von einer Diktatur in die nächste. Wir wollen sagen: Wir sehen Euch! Ihr wollt endlich frei sein!«, sagt Asal Dardan, eine der Initiatorinnen des Briefes und Autorin (»Betrachtungen einer Barbarin«, nominiert für den deutschen Sachbuchpreis). Eine vergleichbare Initiative gab es vergangene Woche bereits von Kulturschaffenden in Schweden.
»Seit mehr als zwei Wochen wird im Iran protestiert: das ganze Land geht vereint für Frauen- und Menschenrechte auf die Straßen. Es ist eine historische Zäsur in der iranischen Geschichte. Und doch schauen viele deutsche Medien nicht hin, oder berichten falsch«, sagt die Journalistin Gilda Sahebi, die den Brief mitunterzeichnet hat. Auch die Autorin Sanaz Azimipour steht auf der Liste der Unterzeichnenden. Sie ist Mitglied des Kollektivs Woman*-Life-Freedom, das die Demonstration am 1. Oktober mit geschätzt rund 8.000 Teilnehmenden in Berlin organisiert hat. Sie möchte den Fokus ebenfalls auf die Bewegung selbst lenken: »Die demonstrierenden und streikenden Menschen im Iran brauchen jetzt internationale Solidarität und mediale Aufmerksamkeit. Sie brauchen vor allem politische Unterstützung, damit ihre Stimmen gehört werden. Sie haben sehr konkrete Anliegen. Aufmerksamkeit ist ihr Schutzschild!«, sagt Azimipour.
Seit dem brutalen Mord an der 22-jährigen Jina Amini gehen tausende Menschen in Iran und Ostkurdistan auf die Straße. Sie rufen »Nieder mit der Diktatur« und »Islamische Republik wollen wir nicht«. Trotz Versuchen des iranischen Regimes, die Demonstrationen brutal niederzuschlagen, gehen die Proteste weiter.
Die Kulturschaffenden in Deutschland äußern nun laut: Wir hören euren Ruf nach einer feministischen Revolution im Iran. Wir sehen euren couragierten Widerstand, wir hören eure entschlossenen Stimmen. Wir bewundern euren Mut und euren Widerstand. Wir sehen euren Kampf und werden alles dafür tun, dass auch unsere Regierungen und unsere Institutionen euch sehen und unterstützen.
Den kompletten Brief und die Liste der Unterzeichnenden können Sie hier nachlesen.